Frühkindliche Karies vermeiden
Die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC) ist nach wie vor ein gravierendes Problem. Die Betreuung allein durch den Haus- oder Kinderarzt während dieser Zeit reicht offensichtlich zur Senkung des Erkrankungsrisikos nicht aus. Extremfälle nehmen immer weiter zu, frühkindliche Karies ist aufgrund der Anzahl der betroffenen Zähne, des Schweregrads der Zerstörung und des geringen Alters der Kinder die größte kinderzahnheilkundliche Herausforderung und gehört inzwischen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter.
Deshalb haben KZBV und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) gemeinsam mit dem Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ), dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Greifswald bereits im Jahr 2014 das Versorgungskonzept „Frühkindliche Karies vermeiden“ (ECC-Konzept) entwickelt. Darin haben wir einen interdisziplinären Ansatz zur Prävention vorgestellt, um gesetzliche Rahmenbedingungen für einen Zahnarztbesuch ab dem Durchbruch des ersten Zahnes im ersten Lebensjahr zu erreichen. Denn es gilt, die Karies so früh wie möglich zu vermeiden. Dazu müssen wir mit Gynäkologen, Kinderärzten, Hausärzten und Hebammen zusammenarbeiten.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Konzept zur zahnmedizinischen Prävention bei Kleinkindern nach anhaltendem Einsatz der Zahnärzteschaft in den vergangenen Jahren weitgehend umgesetzt. Das so genannte Gelbe Heft oder auch Kinderuntersuchungsheft wurde durch Ankreuzfelder mit sechs Verweisen vom Arzt zum Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 72. Lebensmonat ergänzt. Der bisherige Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurde zudem um drei zusätzliche zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder vom 6. Lebensmonat bis zum vollendeten 33. Lebensmonat erweitert.
Die neuen zahnärztlichen Untersuchungen setzen dabei insbesondere bei den Ursachen frühkindlicher Karies an. Sie beinhalten unter anderem die eingehende Untersuchung des Kindes, die Beratung der Eltern und eine Anleitung zum täglichen Zähneputzen beim Kleinkind. Dazu haben jetzt auch Kleinkinder vom 6. Lebensmonat bis zum vollendeten 33. Lebensmonat Anspruch auf eine Zahnschmelzhärtung mit Fluoridlack zweimal je Kalenderhalbjahr in der Zahnarztpraxis. Die Umsetzung dieser Maßnahmen im Leistungskatalog der GKV ist ein großer Erfolg im Kampf gegen frühkindliche Karies und schafft optimale Voraussetzungen für eine lebenslange Zahn- und Mundgesundheit.
Dass sich frühzeitige und umfangreiche Präventionsmaßnahmen für den weiteren Lebensweg lohnen, belegen unter anderem auch die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie aus dem Jahr 2016. Demnach sind bereits acht von zehn der 12-jährigen Kinder vollkommen kariesfrei. Der vorliegende Ratgeber erläutert unter anderem die neu geschaffenen Früherkennungsuntersuchungen und gibt zudem praktische Handlungsempfehlungen und Tipps für Zahnarztpraxen zur Betreuung von unter 3-jährigen Patienten. Wir wollen auf den folgenden Seiten die vielen Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit den kleinsten unserer Patienten (und deren Eltern) sowie bei der Therapie durch nützliche Anregungen und Hinweise im Praxisalltag unterstützen. Interdisziplinäre Vernetzung und überregionale Zusammenarbeit sind weitere wichtige Stichworte. Das beginnt mit der Beratung der Eltern, geht weiter mit dem Aufbau und der Pflege von Netzwerken mit Hebammen und Kinderärzten und ergänzt die Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Krippen im Rahmen der Gruppenprophylaxe.
KZBV und BZÄK haben in enger Abstimmung mit Wissenschaft und Fachgesellschaften den gemeinsamen Ratgeber „Frühkindliche Karies vermeiden – Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis“ grundlegend überarbeitet. Für die nun vorliegende 3. Auflage des Ratgebers wurden etwa die Hälfte der Fotos neu produziert und zentrale Textinhalte in enger Abstimmung mit den wissenschaftlichen Experten aktualisiert, optimiert und vereinheitlicht. Insbesondere die Informationen über die Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten und deren altersentsprechende Dosierung wurden umfangreich überarbeitet und berücksichtigen nun die aktuellen Empfehlungen der zahnmedizinischen Fachgesellschaften und Körperschaften.
Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis (3. aktualisierte Auflage, Stand: Juli 2021)
Anlagen zum Download
Comic zur Zahnpflege (Stand: 2021)
Zeitintervalle: Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung (FU) (Stand: 2019)
Vorschlag für einen Anamnesebogen für das 1.–3. Lebensjahr (Stand: August 2021)
Hinweise für Eltern (Stand: August 2021)
Bild: © proDente e.V./Johann Peter Kierzkowski