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Offener Brief an Bundesminister Karl Lauterbach Angesichts der massiven Versorgungsprobleme hat die KZBV in einem offenen Brief Bundesgesundheitsminister Lauterbach dazu aufgefordert, die gegenwärtige Krise in der zahnärztlichen Versorgung endlich zu stoppen. Offener Brief vom 26.2.2024: Krise in der zahnärztlichen Versorgung stoppen |
Evaluation
Das im November 2022 in Kraft getretene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) ist ein gesundheitspolitisches Spargesetz. Es sieht für den zahnärztlichen Bereich für 2023 und 2024 Regelungen vor, die faktisch einen Rückfall in die Zeit der strikten Budgetierung bedeuten. Dabei zeigen die kontinuierlich sinkenden Anteile der zahnärztlichen Ausgaben an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 6,11 % in 2022 (rund 9 % in 2000), dass vom vertragszahnärztlichen Bereich kein finanzielles Risiko für die GKV ausgeht. Dies ist Erfolg und Konsequenz eines von der Vertragszahnärzteschaft seit über 25 Jahren vorangetriebenen Paradigmenwechsels von der kurativen zur präventiven Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.
Zusammenhang von GKV-FinStG und Parodontitisversorgung
Die Wiedereinführung der Budgetierung durch das GKV-FinStG hat schwerwiegende Auswirkungen für die moderne, präventionsorientierte Parodontitistherapie, die erst zum 1. Juli 2021 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen wurde. Bei Inkrafttreten der mengenbegrenzenden GKV-FinStG-Regelungen befand sich die neue Therapie gerade erst in der bis mindestens 2025 dauernden Einführungsphase. Damit entzieht das GKV-FinStG der neuen Parodontitistherapie die finanzielle Grundlage.
Vor diesem Hintergrund wurde das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vom Deutschen Bundestag gesetzlich dazu verpflichtet, die Auswirkungen des GKV-FinStG auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis zum 30. September 2023 zu evaluieren.
BMG-Evaluierung: Stellungnahme der KZBVDie am 23. Oktober 2023 vorgelegte Evaluierung des BMG kommt zu dem Ergebnis, dass durch das GKV-FinStG eine Verschlechterung der Versorgung von Versicherten mit Leistungen der Parodontitisversorgung nicht festgestellt werden könne. Damit ignoriert das BMG entscheidende Fakten. Die BMG-Evaluierung ist eine statische Momentaufnahme und Ausweis einer kurzsichtigen, fehlgeleiteten Kostendämpfungspolitik, die die Versorgungsperspektive im Jahr 2024 und den Folgejahren nicht in den Blick nimmt. Aufgrund eindeutig rückläufiger Neubehandlungsfälle, aktuell im September mit einem Rückgang von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, droht ein Scheitern der neuen präventionsorientierten Parodontitisversorgung. Damit ist auch das mit der PAR-Richtlinie des G-BA verbundene Versorgungsziel, die Parodontitisbehandlung in der GKV auf den aktuellen medizinischen Stand der Wissenschaft zu bringen und die Behandlungszahlen aufgrund der vorhandenen Krankheitslast in der Bevölkerung nachhaltig zu steigern, in weite Ferne gerückt. Ausgehend von der enorm hohen Krankheitslast und des Einflusses der Parodontitis auf die Mund- und Allgemeingesundheit, würden sich durch politisches Nichthandeln die bereits abzeichnenden Negativfolgen für die Patientinnen und Patienten noch weiter verschärfen. Die Politik muss jetzt handeln, um eine Katastrophe für die Patientenversorgung zu verhindern. 7 Punkte zur BMG-Evaluierung
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Bedeutung der Parodontitis für die Mund- und Allgemeingesundheit
Parodontitis ist eine komplexe Entzündungserkrankung des Menschen. Jeder zweite Erwachsene leidet an dieser Volkskrankheit. Unbehandelt ist sie die häufigste Ursache für vermeidbaren Zahnverlust. Parodontitis steht in direkter Wechselwirkung mit Diabetes mellitus und nimmt zudem Einfluss auf weitere schwere Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und rheumatische Erkrankungen und kann ein erhöhtes Risiko für Schwangere sowie bei demenziellen Erkrankungen darstellen. Insofern handelt es sich bei der neuen Parodontitisversorgung um eine zentrale Präventionsleistung für die Mund- und Allgemeingesundheit.
Parodontitis: Was ist das für eine Erkrankung?
Mehrwert der neuen Parodontitistherapie für die GKV-Versicherten
Die Behandlung der Parodontitis (PAR-Behandlung) in der GKV entsprach über Jahrzehnte nicht mehr dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zudem stand die Anzahl der Behandlungen aufgrund komplexer Zugangsvoraussetzungen in einem deutlichen Missverhältnis zur Zahl der Krankheitsfälle.
Die neue PAR-Behandlung besteht aus einer Behandlungs- sowie einer Nachsorgephase und erstreckt sich insgesamt über einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren (3-jährige Behandlungsstrecke). Dabei entfallen rund 36 Prozent der PAR-Leistungen auf das erste Behandlungsjahr. In den Folgejahren entfallen während der Nachsorgephase die übrigen 64 Prozent der PAR-Leistungen auf die Leistungen der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT). Die neue PAR-Behandlung wird in jedem Einzelfall von den Krankenkassen genehmigt.
Evaluationsbericht von KZBV und DG Paro
Kurzfassung des Evaluationsberichts: GKV-FinStG – Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung
Langfassung des Evaluationsberichts: GKV-FinStG – Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung
Pressemitteilung: Präventionsorientierte Parodontitisbehandlung vom Scheitern bedroht