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Wofür wir stehen
Für eine kontinuierliche Verbesserung der Mundgesundheit und eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung
Die obersten Ziele und Handlungsfelder der Vertragszahnärzteschaft sind die Verbesserung der Mundgesundheit der Bevölkerung sowie die Sicherstellung einer wohnortnahen, flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Versorgung. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels begreifen wir es als eine unserer dringlichsten Aufgaben, in ganz Deutschland – ob in der Stadt oder auf dem Land – die Versorgung gleichwertig sicherzustellen, sodass die Menschen unabhängig von ihrem Wohnort und ihrem sozialen Status Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung und Teilhabe am medizinischen Fortschritt haben.
Die zahnärztliche Versorgung ist ein fester Bestandteil der Daseinsvorsorge. Die Mundgesundheit ist für die Allgemeingesundheit von großer Bedeutung und stellt einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität dar. Es ist daher ein großer Erfolg, dass sich die Mundgesundheit der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert hat und Deutschland bei der Mundgesundheit im internationalen Vergleich seit Jahren einen Spitzenplatz belegt. Das ist ein wesentliches Ergebnis der präventionsorientierten Ausrichtung der Zahnheilkunde. Bereits sehr früh hat die Zahnärzteschaft mit ihren Präventionskonzepten diesen Paradigmenwechsel angestoßen. Ein umfassender, solidarisch finanzierter Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht allen Versicherten eine qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung bei gleichzeitiger Teilhabe am zahnmedizinischen Fortschritt. Das ist einmalig in Europa.
Für die Zukunft gilt es, den Erfolgsweg bei der Mundgesundheit kontinuierlich weiterzugehen und die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen zahnmedizinischen Versorgung auch weiterhin als zentrales gesundheitspolitisches Anliegen zu begreifen. Basis dafür ist das Kollektivvertragssystem, das jeder Patientin, jedem Patienten den gleichen Zugang zu den Leistungen der vertragszahnärztlichen Versorgung ermöglicht. Darüber hinausgehende Freiheitsgrade gewährleisten Festzuschusssystem und Mehrkostenregelungen, indem sie den Patientinnen und Patienten Wahlmöglichkeiten eröffnen. |
Für den Erhalt von Freiberuflichkeit – Rahmenbedingungen der Versorgung am freiberuflichen Leitbild ausrichten und einer fortschreitenden Vergewerblichung Einhalt gebieten
Freie Arzt- und Zahnarztwahl, Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung machen die Stärke unseres Gesundheitswesens aus. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat. Diese Eckpfeiler gilt es auch weiterhin zu festigen und weiter auszubauen. Sie müssen die Richtschnur politischen Handels bilden.
Als Angehörige der freien Berufe gewährleisten Zahnärztinnen und Zahnärzte die qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung in unserem Gesundheitswesen. Sie stehen als Heilberuflerinnen und Heilberufler zu ihrer ethischen und sozialen Verantwortung, sind eigenverantwortlich und in sachlich-persönlicher Weisungsunabhängigkeit tätig. Die Unabhängigkeit von Weisungen und Interessen Dritter sowie die fachliche Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Berufsausübung machen den Kern der Freiberuflichkeit aus. Therapieentscheidungen werden von Zahnärztinnen und Zahnärzten nach ihrem Fachwissen, gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten und zu deren Wohl getroffen. Dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patientinnen und Patienten und ihren Zahnärztinnen und Zahnärzten kommt eine hohe Priorität zu. Dies kommt auch in der ausgesprochen hohen Zahnarztbindung zum Ausdruck.1
Die weitere Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die vertragszahnärztliche Versorgung muss sich an diesem Leitbild der Freiberuflichkeit orientieren. |
Der fortschreitenden Vergewerblichung zu Lasten einer freiberuflichen Versorgung in der Zahnmedizin muss dringend Einhalt geboten werden. Daher gilt es, die Ausbreitung von iMVZ wirkungsvoll einzudämmen. |
Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Gesundheitssysteme auf europäischer Ebene sind konsequent zurückzuweisen. Die Gesundheitsversorgung muss auch künftig Angelegenheit der Mitgliedstaaten bleiben. |
1 Siehe hierzu Micheelis, Wolfgang und Werner Süßlin: Einstellungen und Bewertungen der Bevölkerung zur zahnärztlichen Versorgung in Deutschland, Köln 2011. Online verfügbar unter:
https://www.idz.institute/publikationen/idz-information/einstellungen-und-bewertungen-der-bevoelkerung-zur-zahnaerztlichen-versorgung-in-deutschland/
Für eine starke Selbstverwaltung
Die Selbstverwaltung ist eine tragende Säule unseres Gesundheitswesens, deren Stärken in Abgrenzung zu staatlich oder rein privatwirtschaftlich organisierten Gesundheitssystemen deutlich hervortreten. Selbstverwaltung steht für eine besondere Sachnähe: nah am Versorgungsgeschehen, nah an den Problemen vor Ort. Neben ihrer hohen Fachkompetenz wird sie von der Identifikation und dem besonderen Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitglieder getragen. Dies wurde auch unter den schwierigen Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie deutlich, als die Selbstverwaltung sich mit schnellen, unkomplizierten und wirkungsvollen Entscheidungen als unerlässlicher Partner bei der Krisenbewältigung und -aufarbeitung erwiesen hat.
Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung ausbauen
Ihr volles Potenzial kann die Selbstverwaltung nur dort ausschöpfen, wo sie über ausreichend große Handlungs- und Gestaltungsspielräume verfügt. Die Aufgabenteilung zwischen Selbstverwaltung und staatlichem Handeln verschiebt sich jedoch zunehmend in Richtung des Staates. Auch die Handlungsmöglichkeiten der zahnärztlichen Selbstverwaltung werden Schritt für Schritt beschnitten und im Gegenzug die Aufsichtsrechte und Entscheidungsbefugnisse des Bundes ausgeweitet. Das schwächt die Selbstverwaltung auf allen Ebenen und macht sie auch für ein Engagement der nachfolgenden Generation wenig attraktiv.
Um eine Selbstverwaltung zu fördern, die auch in Zukunft ihren zentralen Beitrag im Gesundheitswesen leisten kann, müssen ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume erhalten und wieder ausgebaut werden. Dafür brauchen wir ein klares Bekenntnis der Politik zur Selbstverwaltung. Dies gilt insbesondere auch für die gemeinsame Selbstverwaltung und die Arbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA): Konkrete inhaltliche Vorgaben durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber müssen noch ausreichend Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung ermöglichen. Den sektorspezifischen Besonderheiten der zahnmedizinischen Versorgung muss auch hier ausreichend Gestaltungsmöglichkeit gegeben und stärker Rechnung getragen werden. |
Mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für die vertragszahnärztlichen Gremien gewinnen und den Frauenanteil in der Selbstverwaltung erhöhen
Die Stärke der Selbstverwaltung gründet auf dem Engagement aller Angehörigen des Berufsstandes. Daher liegt eine der zentralen Zukunftsaufgaben von KZBV und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) darin, das Interesse junger Zahnärztinnen und Zahnärzte an einem Engagement in der Selbstverwaltung zu wecken und sie auf ihrem Weg in die vielfältigen Gremien der zahnärztlichen Standespolitik zu unterstützen und zu fördern.
Daten belegen, dass Zahnärztinnen in den Selbstverwaltungsgremien stark unterrepräsentiert sind: 2019 lag der Frauenanteil im Berufsstand bei 44 Prozent. In den kommenden Jahren wird er kontinuierlich weiter ansteigen. So waren 2018 rund zwei Drittel der Studierenden weiblich. Angesichts dieser Entwicklung geht es uns auch darum, mehr Frauen für ein Engagement in der zahnärztlichen Selbstverwaltung zu gewinnen.
Vor diesem Hintergrund hat das höchste Beschlussgremium der Vertragszahnärzteschaft, die Vertreterversammlung der KZBV, im Herbst 2020 ein Gesamtkonzept mit einer Reihe von Maßnahmen verabschiedet, die den Frauenanteil in den Gremien und Führungspositionen von KZBV und KZVen in den kommenden Jahren erhöhen sollen.1 Entwickelt wurde das Konzept in einer Arbeitsgruppe der KZBV mit Frauen aus den Selbstverwaltungsgremien und zahnärztlichen Organisationen auf Landesebene. Für KZBV und KZVen ist die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen zentrale Aufgabe und ein strategisches Ziel, verbunden mit einer Selbstverpflichtung, den Frauenanteil in den Gremien und Führungspositionen zu erhöhen.
Zu den Bausteinen des Gesamtkonzepts zählt unter anderem, dass in jedem Vorstand einer KZV und der KZBV künftig mindestens eine Frau vertreten sein sollte. Darüber hinaus zielt ein Großteil der Maßnahmen darauf ab, insgesamt mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für ein Engagement in der Selbstverwaltung zu gewinnen. Hierzu können zum Beispiel familienfreundliche Sitzungszeiten und digitale Sitzungsformate, die Förderung von Netzwerken, gezielte Mentoring-Programme sowie die Berücksichtigung von Standespolitik als Teil der Berufskundevorlesung („Standespolitik stellt sich vor“) beitragen. Bestandteil des Maßnahmenpaketes sind auch regelmäßige Berichtspflichten der Vorstände in den Vertreterversammlungen.
1 Das „Gesamtkonzept zur Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung“ kann online abgerufen werden unter: https://www.kzbv.de/frauenfoerderung
Für ein duales System von GKV und PKV
Das duale Krankenversicherungssystem mit gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) zählt zu den besonderen Stärken des deutschen Gesundheitswesens und trägt dazu bei, dass es im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt. Das duale System sichert eine effiziente, qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten und fördert die Innovationskraft.
Die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt bleiben weiterhin zentrale Herausforderungen, die es bei der zukünftigen Ausgestaltung des Gesundheitswesens zu lösen gilt. Eine Einheits- bzw. Bürgerversicherung bietet dazu keinen Lösungsansatz. Die Konsequenz einer Bürgerversicherung wäre ein einheitlicher Versicherungsmarkt, in dem alle Krankenkassen bzw. Krankenversicherungen nach einheitlichen Rahmenbedingungen agieren. Dies wäre mit Nachteilen für die Patientenversorgung verbunden und würde den Wettbewerb um Innovationen im Gesundheitswesen zum Erliegen bringen. Der PKV kommt eine Vorreiterrolle bei der Erstattung von Innovationen zu, sodass Innovationen in Deutschland heute schneller verfügbar sind als im EU-Durchschnitt.
Die Vertragszahnärzteschaft spricht sich für den Erhalt des dualen Systems mit einer privaten Krankenvollversicherung aus. Wir befürworten den Wettbewerb zwischen GKV und PKV und lehnen eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen beider Versicherungszweige ab. Vielmehr gilt es, im Rahmen des dualen Systems eine private Krankenversicherung zu erhalten, weiterzuentwickeln und zu stärken, die auf den Prinzipien der risikoadäquaten Beiträge, Kapitaldeckung und der Kostenerstattung auf Grundlage der privaten Gebührenordnung basiert. |
Mundgesundheit über den gesamten Lebensbogen hinweg erhalten – Präventionserfolge und Versorgung vulnerabler Gruppen ausbauen und verstetigen
Erfolge durch Prävention – Prävention wirkt!
Die Vertragszahnärzteschaft treibt seit rund 25 Jahren den Paradigmenwechsel von der kurativen zur präventiven Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde voran und trägt damit maßgeblich dazu bei, ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedeutung der Mundgesundheit bei den Menschen in Deutschland zu verankern. Dabei wenden wir uns insbesondere der Versorgung vulnerabler Zielgruppen, wie beispielsweise Pflegebedürftiger oder Menschen mit Behinderungen, zu.
Die Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ)1 belegen, dass sich die Mundgesundheit der Bevölkerung in allen Bereichen und über alle sozialen Schichten hinweg deutlich verbessert hat. In keiner anderen medizinischen Disziplin gibt es eine so enge, kausal nachvollziehbare Verbindung zwischen Prävention und Gesundheitszustand. Dies zeigt: Prävention wirkt!
Zugleich zeigen die Mundgesundheitsstudien auf, welcher konkrete Handlungsbedarf besteht.
Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V):
Im Vergleich zu den ersten deutschen Mundgesundheitsstudien im Jahr 1989 für Westdeutschland bzw. 1992 für die neuen Bundesländer ist es in der Gruppe der Kinder zu einem Kariesrückgang von 90 Prozent gekommen. 81 Prozent der Kinder im Alter von 12 Jahren sind heutzutage kariesfrei. Allerdings wird die Karieserfahrung immer noch stark vom sozialen Status beeinflusst, denn nur 75 Prozent der Kinder mit niedrigem sozialen Status zeigen keine Karieserfahrung. Gleichzeitig hat der Anteil der kariesfreien Kinder in den letzten 20 Jahren in dieser sozialen Gruppe überdurchschnittlich zugenommen.
In der Gruppe der jüngeren Erwachsenen ist ebenso ein nachhaltiger Rückgang der Karies zu verzeichnen.
Bei den jüngeren Seniorinnen und Senioren zeichnet sich ein ähnliches Gesamtbild ab. Völlige Zahnlosigkeit hat sich im Vergleich zu 2005 halbiert. Nur noch jeder achte Senior ist zahnlos; jüngere Senioren besitzen im Durschnitt noch 16,4 eigene und funktionstüchtige Zähne. Allerdings ist festzuhalten, dass ältere Menschen mit Pflegebedarf eine schlechtere Mundgesundheit haben als die gesamte vergleichbare Altersgruppe. Die verbleibenden Zähne sind oft weniger funktionstüchtig und weisen einen höheren Versorgungsgrad auf.
Es zeigt sich, dass wir bei der Kariesprävention eine gute Wegstrecke zurückgelegt haben und Präventionserfolge vorweisen können – über den gesamten Lebensbogen hinweg. Parallel zu den überaus positiven Entwicklungen im Bereich der Karies zeigen die Daten der DMS V aber auch, dass bei der Parodontitisprävention großer Nachholbedarf besteht. Zwar hat sich die Erkrankungslast der schweren Parodontitis halbiert, dennoch ist jeder zweite jüngere Erwachsene parodontal erkrankt. In der Altersgruppe der jüngeren Seniorinnen und Senioren hat jeder Zweite eine moderate und jeder Fünfte eine schwere Parodontitis. Parodontitis ist neben Karies die zweite große Volkskrankheit in der Zahnmedizin und Hauptgrund für den Verlust von Zähnen bei Erwachsenen. Hinzukommt, dass Parodontitis keine lokal auf die Mundhöhle begrenzte Infektion ist. Es bestehen Wechselbeziehungen zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit, z.B. mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen.
1 Seit fast 25 Jahren liefern die Deutschen Mundgesundheitsstudien regelmäßig wichtige Erkenntnisse für und über die zahnmedizinische Versorgung. Bislang gibt es fünf solcher Studien. Die Kurzfassung zur DMS V kann online abgerufen werden unter: https://www.kzbv.de/dms-v. Die Publikation der DMS 6 ist für 2024/2025 geplant.
Präventive Maßnahmen verstetigen und ausbauen
Ziel der Vertragszahnärzteschaft ist es, den eingeschlagenen Weg erfolgreicher Präventionsarbeit weiterzuverfolgen und die Mundgesundheit weiter zu verbessern. Die Menschen sollen auch bei wachsender Lebenserwartung ihre natürlichen Zähne und damit ein hohes Maß an Lebensqualität behalten können. Die Strategie der KZBV besteht darin, Präventionsmaßnahmen über den gesamten Lebensbogen hinweg konsequent umzusetzen und auszubauen.
Dabei hat die Vertragszahnärzteschaft insbesondere den Versorgungsbedarf von vulnerablen Gruppen, von Kleinkindern, von älteren Menschen, von Pflegebedürftigen und von Menschen mit Behinderungen im Blick. Mit den Versorgungskonzepten „Frühkindliche Karies vermeiden“ und „Mundgesundheit trotz Handicap und hohem Alter“ ist es der KZBV gelungen, die Weichen zur Versorgungsverbesserung von Kleinkindern sowie von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu stellen. In den letzten Jahren sind bei der Umsetzung dieser Konzepte mit Unterstützung der Politik große Erfolge erzielt worden.1
Eine älter werdende Bevölkerung mit einer zunehmenden Zahl pflegebedürftiger Menschen, die in Pflegeeinrichtungen, aber auch im häuslichen Umfeld betreut werden, erfordert neue, innovative Versorgungsangebote. Neben den Kooperationsverträgen mit Pflegeeinrichtungen ist ein Fokus auf aufsuchende, mobile Versorgungsformen zu legen. Letztere finden in zunehmendem Maße mit einem sogenannten „Dentomobil“ statt.
Bedeutende Fortschritte gab es außerdem bei der systematischen Therapie von Parodontalerkrankungen, für die sich die KZBV auf Grundlage ihres „PAR-Versorgungskonzeptes“2 gemeinsam mit der wissenschaftlichen Fachgesellschaft DG PARO seit Jahren eingesetzt hatte. Ein zentraler Baustein der im Juli 2021 in Kraft getretenen Parodontitis-Richtlinie des G-BA ist neben der strukturierten Nachsorge (unterstützende Parodontitistherapie – UPT) die patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung. Zudem wurde als eigener Therapieschritt ein parodontologisches Aufklärungs- und Therapiegespräch verankert, um das Verständnis über die Auswirkungen der Erkrankung zu schaffen und die Mitwirkung der Versicherten zu stärken. Damit hat die „sprechende Zahnmedizin“ erstmals Eingang in die Versorgung gefunden.
Überdies wurde durch einen weiteren Beschluss des G-BA für besonders vulnerable Patientengruppen ein bürokratie- und barrierearmer Zugang zur Parodontitistherapie geschaffen. Diese Versicherten haben Anspruch auf eine modifizierte und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Behandlungsstrecke zur Parodontitis-Behandlung ohne Antrags- und Genehmigungsverfahren. Die niedrigschwellige Option richtet sich vor allem an ältere, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit einer Beeinträchtigung, bei denen die systematische Behandlung gemäß PAR-Richtlinie nicht in vollem Umfang durchgeführt werden kann.
Die umgesetzten Maßnahmen und aufgezeigten Erfolge bei der Mundgesundheit gilt es in den kommenden Jahren weiter zu verstetigen und auszubauen. Hierzu bedarf es auch in Zukunft der Unterstützung durch Politik, Bundesregierung und Gesetzgeber, um – auf Grundlage der zahnärztlichen Präventionskonzepte und orientiert am zahnmedizinischen Fortschritt – die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. |
Der Ansatz, die sprechende Zahnmedizin in die Versorgung einzubeziehen, sollte daher künftig weiter vertieft werden. |
1 Die beiden Versorgungskonzepte, Hintergründe zu den einzelnen Versorgungsbereichen und weiterführende Informationen zur Umsetzung der zahnärztlichen Versorgungskonzepte können online abgerufen werden unter: https://www.kzbv.de/gesunde-kinderzaehne und https://www.kzbv.de/versorgungsangebote-pflege
Festzuschusssystem gewährleistet Versorgungsgerechtigkeit und Teilhabe am medizinischen Fortschritt
Präventionserfolge zeigen sich seit 1997 im kontinuierlichen Rückgang der Zahnverluste. Heute ist unter den Seniorinnen und Senioren nur noch jeder Achte zahnlos. Damit verliert die Totalprothese in der Versorgung an Bedeutung. Im Durchschnitt besitzen jüngere Seniorinnen und Senioren noch 16,4 eigene und funktionstüchtige Zähne. Auch daher kommt der Versorgung mit Zahnersatz nach wie vor eine zentrale Bedeutung zu.
Dabei hat sich das 2005 eingeführte befundorientierte Festzuschusssystem als wirksames Steuerungsinstrument bewährt. Es erweitert die Wahlmöglichkeiten der Patientinnen und Patienten und sichert deren Teilhabe am medizinischen Fortschritt. Gleichzeitig wird eine größere soziale Gerechtigkeit erreicht, die sich auch in einer umfassenden Versorgung von Härtefällen durch die vollständige Übernahme der Kosten für die Regelversorgung durch die GKV zeigt.
Zum 1. Oktober 2020 wurden die Festzuschüsse bei der Regelversorgung gesetzlich von 50 auf 60 Prozent der Kosten erhöht. Dadurch werden Patientinnen und Patienten finanziell entlastet. Durch höhere Zuschüsse bei einem lückenlos geführten Zahnbonusheft werden Anreize für regelmäßige Kontrolltermine in der Zahnarztpraxis zur Vorbeugung von Mund- und Zahnerkrankungen gestärkt. Das ist ein deutlicher Vertrauensbeweis in das Festzuschusssystem als Paradebeispiel für die Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung.
Das Festzuschusssystem gewährleistet Versorgungsgerechtigkeit und Teilhabe am medizinischen Fortschritt. Dieses bewährte Steuerungsinstrument gilt es auch für die Zukunft fortzuschreiben. |
Qualitätsförderung am Patientennutzen ausrichten, Bürokratie abbauen und sektorspezifische Besonderheiten berücksichtigen
Patientensicherheit und eine qualitativ hochwertige Versorgung haben für Zahnärztinnen und Zahnärzte oberste Priorität. Seit vielen Jahren spiegelt sich dies in freiwilligen wie verpflichtenden Qualitätssicherungsmaßnahmen wider: Dies umfasst z. B. die Patientenberatungsstellen, das zahnärztliche Zweitmeinungsmodell, das Gutachterwesen, ein umfassendes Qualitätsmanagement sowie das Berichts- und Lernsystem „CIRSdent – Jeder Zahn zählt!“. Als besonders effektiv und erfolgreich haben sich dabei Maßnahmen der Qualitätsförderung herausgestellt, die auf eine intrinsische Motivation der Zahnärztinnen und Zahnärzte zielen.
Qualitätsförderung und -sicherung sind wesentliche Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. Durch gesetzliche Neuerungen der letzten Jahre ist das System der Qualitätssicherung jedoch im höchsten Maße komplex geworden. Es ist zunehmend durch überzogene Anforderungen und kleinstteilige Kontrollen mit teilweise nicht notwendigem sektorenübergreifenden Fokus gekennzeichnet. Das gilt insbesondere für die gesetzlichen Vorgaben im SGB V, die in Form von Richtlinien zur Qualitätssicherung durch den G-BA umgesetzt werden müssen. Allein die Erhebung und Übermittlung der Daten – bei denen es sich nicht selten um Doppeldokumentationen handelt – binden heute in erheblichem Maße personelle Ressourcen und sorgen dafür, dass in den Praxen deutlich weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Eine überbordende „Qualitätsbürokratie“ birgt die Gefahr, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte in diesen Maßnahmen keinen Nutzen mehr sehen und sie nur noch als Belastung erleben.
Es braucht daher eine praktikable und nutzenorientierte Neuausrichtung der Qualitätssicherung:
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Chancen der Digitalisierung nutzen – Innovationen fördern und Zahnarztpraxen entlasten
Einleitung
Die Vertragszahnärzteschaft hat den Anspruch, die Digitalisierung und den digitalen Transformationsprozess im Gesundheitswesen weiter aktiv mitzugestalten. Die Digitalisierung bietet vielfältige Chancen, die Versorgung der Menschen weiter zu verbessern, sichere Kommunikationswege zu schaffen und Bürokratieaufwand zu verringern. Gerade durch die Corona‑Pandemie hat das Thema einen deutlichen Schub bekommen. Die Krise hat sich in gewisser Weise als „Digitalisierungsbeschleuniger“ erwiesen und aufgezeigt, wo digitale Lösungen einen konkreten Mehrwert in der Versorgung bieten können.
Dabei geht es längst nicht mehr um eine zukunftsferne „digitale Revolution“, sondern wir befinden uns mitten im Wandel: Digitale Prozesse und Anwendungen sind gelebter Alltag in den Zahnarztpraxen – sowohl im Bereich von Administration und Abrechnung als auch bei der Diagnostik und Therapie sowie der Befund- und Behandlungsdokumentation. Viele Praxen nutzen heute computerunterstützte Technologien, z. B. beim Einsatz von interoralen Kameras, Intraoralscannern und CAD/CAM-Verfahren1, im Rahmen der digitalen Röntgendiagnostik, bei speziellen Geräten zur Wurzelkanalbehandlung sowie bei der Praxisverwaltung, etwa im Rahmen der digitalen Erfassung und Dokumentation der Praxishygiene.
Mit der Telematikinfrastruktur (TI) steht zudem das zentrale Fundament für wichtige zahnärztliche Leuchtturmprojekte, die wir als Berufsstand aktiv voranbringen, wie z. B. das eZahnbonusheft als künftiger Bestandteil der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren. Positive Erwartungen weckt auch der Kommunikationsdienst KIM („Kommunikation im Medizinwesen“), der eine datenschutzkonforme Plattform für den vereinfachten, sicheren und auch intersektoralen Datenaustausch mit zahntechnischen Laboren, Pflegeeinrichtungen oder z. B. auch Kinderärztinnen und Kinderärzten, etwa bei der Therapie frühkindlicher Karies (early childhood caries, kurz ECC), bietet.
Zum einen ist Digitalisierung also bereits ein fester Bestandteil des zahnärztlichen Praxisalltags. Zum anderen stellt die Integration der TI die Praxen vor große Herausforderungen. Sie befinden sich dabei mitten in einem Transformationsprozess. Um diesen Prozess zu einer Erfolgsgeschichte zu machen, müssen digitale und technische Innovationen für die Zahnärztinnen und Zahnärzte zeitlich, wirtschaftlich und organisatorisch umsetzbar sein und für die Versorgung der Patientinnen und Patienten einen erkennbaren Mehrwert entfalten. Dazu müssen die zahnärztliche Berufswirklichkeit und die Belange der Anwenderinnen und Anwender in den Blick genommen werden.
1 CAD/CAM („computer aided design“ bzw. „computer aided manufacturing“) ist ein computerunterstütztes Verfahren, welches bei der Planung und Herstellung von Zahnersatz zur Anwendung kommt.
Versorgungsorientierte Lösungen entwickeln und Praxen entlasten
Eine alltagstaugliche TI, nahe am Versorgungsgeschehen und mit erkennbarem Mehrwert für die Versorgung, ist die Voraussetzung für Nutzungsmotivation und Akzeptanz in der Zahnärzteschaft. Richtungswechsel mit grundlegenden Systemänderungen, unrealistisch kurze, sanktionsbewährte Fristen sowie daraus resultierende Probleme bei der technischen Einführung und Umsetzung führen hingegen zu Frustration bis Resignation. Dabei lehnen wir vor allem die gesetzlichen Sanktionen für die Praxen ab. Sie untergraben die Motivation der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Notwendig sind vielmehr positive Anreize, um Motivation und Akzeptanz für den Ausbau der TI zu fördern.
Um die TI mit Leben zu füllen, sollten ihre Anwendungen im Rahmen eines schrittweisen Vorgehens in die bestehenden Verwaltungs- und Behandlungsabläufe der Praxen integriert werden. Auf dieser Basis gilt es, die einzelnen Anwendungen erfahrungsbasiert weiterzuentwickeln und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Reduzierung von Bürokratie- und Verwaltungsaufwand zu legen. |
Eine weitere Voraussetzung für den erfolgreichen Transformationsprozess liegt darin, die Praxen bei den hohen Investitionen und laufenden Kosten der fortschreitenden Digitalisierung, einschließlich IT-Sicherheit und Datenschutz, finanziell zu unterstützen. In keinem Fall dürfen die steigenden Digitalisierungskosten weiter zu wirtschaftlichen Substanzverlusten in den Zahnarztpraxen führen. Es kann nicht sein, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte die Finanzierung der ständigen Erweiterung der TI im Gesundheitswesen weiterhin größtenteils alleine schultern müssen.
Es braucht daher adäquate gesetzlich vorgegebene Vergütungsmechanismen, die alle unmittelbaren und mittelbaren Kosten berücksichtigen und diesen Aufwand finanzieren. |
Einen störungsfreien TI-Betrieb mit stabilen Anwendungen gewährleisten
Für den Erfolg der TI ist die Motivation zur Umsetzung und die aktive Beteiligung in den Praxen vor Ort ein zentraler Faktor. Wir sind überzeugt, dass eine im Praxisalltag störungsfreie und stabile TI für mehr Akzeptanz und Vertrauen bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten sorgen würde. Die Praxen müssen sich insbesondere darauf verlassen können, dass der stabile Betrieb der TI und ihrer Anwendungen dauerhaft gewährleistet ist. Kontraproduktiv ist die Reduzierung von Feldtests bei wichtigen TI-Komponenten und Diensten. Schnelligkeit um jeden Preis vor Praktikabilität, Zuverlässigkeit und Sicherheit hat sich als der falsche Ansatz erwiesen.
Um die Stör- und Fehleranfälligkeit der TI von Beginn an gering zu halten, sollten künftig ausschließlich Anwendungen in die Fläche gehen, die zuvor ausreichend unter Praxisbedingungen getestet wurden und störungsfrei, stabil sowie sicher laufen. Darüber hinaus sollte sichergestellt sein, dass Zahnarztpraxen für von ihnen nicht zu verantwortenden Störungen in der TI keine Kosten entstehen. Diese Kosten dürfen nicht zu Lasten der Zahnarztpraxen gehen. |
Chancen der Telemedizin nutzen und zahnärztliche Videosprechstunden ausweiten
Die Telemedizin bietet viele Chancen für die Versorgung. Insbesondere der Einsatz von Videosprechstunden kann einen großen Nutzen für die Patientinnen und Patienten entfalten, etwa um Wartezeiten oder Anfahrtswege zu reduzieren. Gerade in der Corona-Pandemie haben sich Videosprechstunden als sehr hilfreich bei der Versorgung infizierter und unter Quarantäne gestellter Personen erwiesen.
Allerdings sind Videosprechstunden – losgelöst von der Pandemie – in der vertragszahnärztlichen Versorgung bislang gesetzlich auf Pflegebedürftige, Empfängerinnen und Empfänger von Eingliederungshilfe sowie auf Pflegeeinrichtungen mit Kooperationsverträgen beschränkt. Künftig sollten weitere Möglichkeiten zur Ergänzung des bestehenden Angebots geschaffen werden. Erhebliches Potenzial der Videosprechstunde bleibt ansonsten ungenutzt. Denkbar sind beispielsweise Videosprechstunden bei der Besprechung von Heil- und Kostenplänen im Rahmen der Zahnersatz-Versorgung, bei der Beratung im Zusammenhang mit kieferorthopädischen Behandlungen von Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern oder bei der Aufklärung im Zusammenhang mit der Parodontitistherapie.
Um die Chancen der Telemedizin zu nutzen, sollte die Möglichkeit der Videosprechstunde im vertragszahnärztlichen Bereich über Pandemiezeiten hinaus auf alle Patientinnen und Patienten ausgeweitet werden. |
Verbindliche Regelungen zur Integration von TI-Anwendungen in Praxisverwaltungssysteme schaffen
Mit der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens steigen auch die Anforderungen an informationstechnische Systeme in den Praxen, insbesondere an die Praxisverwaltungssysteme (PVS). Diese müssen in der Lage sein, die vollumfängliche Nutzung der TI-Anwendungen fristgerecht zu ermöglichen und die hierzu erforderliche Interoperabilität zu gewährleisten. Auf diese notwendigen Anpassungen kann die Vertragszahnärzteschaft bislang nur indirekt Einfluss nehmen.
Um eine zeitnahe und flächendeckende Integration von Anwendungen der TI in informationstechnische Systeme, insbesondere PVS, sicherzustellen, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage mittels derer die KZBV die jeweiligen Hersteller zeitnah zur Integration neuer Anwendungen verpflichten kann. |
Flächendeckende und wohnortnahe Versorgungsstrukturen sicherstellen und zukunftsfest gestalten – Niederlassungen fördern und Vergewerblichung eindämmen
Ausbreitung investorengetragener MVZ eindämmen – Passgenaue Fortentwicklung der TSVG-Regelungen und mehr Transparenz durch MVZ-Register
Die Sicherstellung einer wohnortnahen, flächendeckenden und qualitativ hochwertigen zahnärztlichen Versorgung in ganz Deutschland und für alle Bevölkerungsgruppen ist unser Anspruch für die 2020er-Jahre. Hierzu bedarf es passgenauer Lösungen für die zahnärztliche Versorgung mit ihren spezifischen Besonderheiten gegenüber dem ambulant-ärztlichen und stationären Sektor. Dieser Weg wurde vom Gesetzgeber unter anderem mit der beabsichtigten Begrenzung von Fremdinvestoren in der zahnärztlichen Versorgung durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) 2019 bereits beschritten und sollte auch fortgesetzt werden.
Private-Equity-Gesellschaften und andere große Finanzinvestoren dringen weiterhin in die vertragszahnärztliche Versorgung. Sie stellen mit ihrem einseitigen Fokus auf schnelle Gewinnmaximierung eine erhebliche Gefahr für die Versorgungsqualität, das Patientenwohl und die Sicherstellung der Versorgung insgesamt dar.
Der Einstieg solcher Investoren erfolgt über den Umweg, ein – häufig besonders kleines oder in finanzielle Schieflage geratenes – Krankenhaus zu erwerben und damit die gesetzliche Gründungsbefugnis für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu erlangen. Der Wachstumstrend bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. Zum Ende des ersten Quartals 2021 belief sich der Anteil dieser investorengetragenen MVZ (iMVZ) an allen zahnärztlichen MVZ bereits auf 22 Prozent.
Das TSVG setzte 2019 mit der gestaffelten MVZ-Gründungsbefugnis für Krankenhäuser einen ersten Schritt in die richtige Richtung, konnte aber die Ausbreitung von iMVZ, entgegen der erklärten Zielsetzung des Gesetzgebers, nicht nennenswert eindämmen. Die Entwicklung ist nach wie vor sehr dynamisch.Dass die Auswirkungen auf die vertragszahnärztliche Versorgung in höchstem Maße besorgniserregend sind, belegt ein Gutachten des IGES-Institutes1 aus dem Jahr 2020:
- Kaum iMVZ im ländlichen Raum: Während die Verteilung der bewährten Praxisformen (Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften) und auch der Zahnärztinnen und Zahnärzte auf den städtischen und ländlichen Bereich heute in etwa der Verteilung der Einwohner entspricht, siedeln sich iMVZ vornehmlich in Großstädten und Ballungsräumen mit überdurchschnittlichen Einkommen an, die häufig bereits einen hohen zahnärztlichen Versorgungsgrad aufweisen. Zur Versorgung in struktur- und versorgungsschwachen, zumeist ländlichen Gebieten leisten iMVZ hingegen keinen signifikanten Beitrag.
- Tendenz zu Über- und Fehlversorgung: Die Analyse von Abrechnungsdaten zeigt eine Tendenz zu Über- und Fehlversorgungen in iMVZ gegenüber den bewährten Praxisformen (Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften) auf.
- Geringer Beitrag zur Versorgung besonderer Patientengruppen: An der Versorgung besonderer Patientengruppen, insbesondere von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung und von Kindern und Jugendlichen mit präventiven Leistungen der Individualprophylaxe nehmen iMVZ kaum teil.
Ergänzend hierzu ergeben sich Versorgungsrisiken durch die Bildung von MVZ‑Kettenstrukturen. 2019 entfielen laut IGES-Gutachten 80 Prozent der Zahnarztstellen in iMVZ auf solche iMVZ, die in Kettenverbünden mit mehreren Praxisstandorten organisiert sind, während bei den nicht‑investorengetragenen MVZ die Kettenbildung (46 Prozent) deutlich geringer ausgeprägt war.2 Durch größere Kettenbildungen reduziert sich die Anbietervielfalt, während die Gefahr von (regionalen) Versorgungslücken im Fall von Insolvenzen steigt. Hinzukommen die teils dramatischen Folgen für Patientinnen und Patienten insolventer iMVZ-Ketten, z.B. bei unvollendeten Behandlungen oder wenn sie in Vorauszahlung gegangen sind.3
Neben diesen Versorgungsrisiken durch iMVZ wirkt erschwerend, dass die hinter den einzelnen iMVZ stehenden Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen häufig sehr verschachtelt sind, was durch die bestehenden Register (z.B. Handels-, Partnerschafts- oder Transparenzregister) nicht oder nur in Ansätzen abgebildet wird. Die fehlende Transparenz erschwert die Kontrollfunktion, die den KZVen in Bezug auf die Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung zukommt. Auch den meisten Patientinnen und Patienten in iMVZ dürfte die Information, dass ein Finanzinvestor hinter „ihrem“ Zahnarzt bzw. „ihrer“ Zahnärztin steckt, nicht bekannt sein.
Um die nachweislichen Gefahren von iMVZ für die Patientenversorgung einzudämmen und die Transparenz über MVZ zu stärken, machen wir konkrete Vorschläge, die auch eine Weiterentwicklung der mit dem TSVG eingeführten, spezifisch auf zahnärztliche iMVZ ausgerichteten Vorgaben, beinhalten4:
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1 IGES: Investorenbetriebene MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Entwicklung und Auswirkungen, Berlin 2020. Online verfügbar unter: https://www.kzbv.de/z-mvz
2 IGES: Investorenbetriebene MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung Entwicklung und Auswirkungen, Berlin 2020, S. 36ff.
3 Die Gefahr von Kettenstrukturen im zahnärztlichen Bereich verdeutlichen Insolvenzfälle aus dem europäischen Ausland, z. B. in Spanien („iDental“, „Funnydent“) und Frankreich („Dentexia“). 2020 wurde erstmals auch in Deutschland für eine MVZ-Kette mit Investorenbeteiligung („Dr. Z“) ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Konsequenzen für die Patientenversorgung sind noch nicht absehbar.
4 Die Vorschläge basieren auf einem von der KZBV zusätzlich zum IGES-Gutachten beauftragten Rechtsgutachten. Siehe hierzu Sodan, Helge: Medizinische Versorgungszentren in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Zur Einführung eines MVZ-Registers sowie zur Eignung insbesondere von investorenbetriebenen zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren, Berlin 2020. Online verfügbar unter: https://www.kzbv.de/z-mvz
Bewährte Praxisformen tragen mit attraktiven Angeboten den Vorstellungen der jungen Zahnärzteschaft Rechnung
Das Ziel, die zahnmedizinische Versorgung zukunftsfest und in der Fläche stabil zu gestalten, setzt Versorgungsstrukturen voraus, die den Bedürfnissen und Vorstellungen der nachfolgenden Zahnärztegenerationen Rechnung tragen. Dass junge Zahnärztinnen und Zahnärzte den Themen Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen hohen Stellenwert einräumen, belegt eine 2021 veröffentlichte Studie des IDZ.1
Von MVZ-Investoren wird häufig die Behauptung vorgetragen, ein entscheidender Vorteil von MVZ als dritter Praxisform neben Einzelpraxis und Berufsausübungsgemeinschaft läge darin, dass sie jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten eine attraktive Form der Berufsausübung im Angestelltenverhältnis mit flexibleren Arbeitszeiten bieten könnten. Dabei verkennen sie jedoch die nachweisbar hohe Anpassungsfähigkeit zahnärztlicher Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften. Durch die eröffneten Möglichkeiten zur Anstellung von Zahnärztinnen und Zahnärzten haben sich diese über die Jahre organisatorisch zu kooperativen Praxisformen weiterentwickelt.
Die Einzelpraxis, welche mit einem Anteil von rund 77 Prozent (Stand 2020) nach wie vor die dominierende Praxisform darstellt, ist keinesfalls mehr ein klassischer „Einzelkämpfer“. So ist der Anteil der bei Vertragszahnärztinnen bzw. Vertragszahnärzten (d. h. in Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften) angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten an allen Zahnärztinnen und Zahnärzten2 seit der rechtlichen Öffnung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (2007) kontinuierlich angestiegen und lag 2020 bei rund 20 Prozent. Die Anstellungsmöglichkeiten haben KZBV und GKV-Spitzenverband im Jahr 2019 nochmals erweitert. Die Zeit der Anstellung wird dabei von den Zahnärztinnen und Zahnärzten auch als Vorbereitung auf die eigene Niederlassung gesehen. Nach wie vor strebt ein Großteil von ihnen die eigene Niederlassung an. Dabei schiebt sich der Zeitpunkt der Erstniederlassung im Berufsleben nach hinten und lag 2019 im Durchschnitt bei 36,1 Jahren.3
Während die Investoren vortragen, vor allem die von ihnen getragenen MVZ würden flexible Arbeitsmodelle anbieten, zeichnet das IGES-Gutachten ein gegenteiliges Bild: Angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte arbeiten in Einzelpraxen (40 Prozent) und Berufsausübungsgemeinschaften (34 Prozent) zu einem ähnlich großen Anteil in Teilzeit wie in MVZ (38 Prozent). Hingegen ist dieser Anteil in iMVZ (28 Prozent) vergleichsweise niedrig.4 Demnach sind es gerade Einzelpraxen, in denen besonders häufig die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung besteht.
Über flexible Möglichkeiten zur Ausrichtung der Praxis lassen sich in der Einzelpraxis, ebenso wie in der Berufsausübungsgemeinschaft, attraktive Berufsangebote und eine bessere Work-Life-Balance realisieren – nicht nur über den Weg in die Anstellung, sondern im Falle der eigenen Niederlassung auch durch die gezielte Arbeitsentlastung der Praxisinhaberin bzw. des Praxisinhabers.
1 Kettler, Nele: Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. Berufsbild – Patientenversorgung – Standespolitik, Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln, Juni 2021.
2 Gesamtzahl der Vertragszahnärztinnen/-ärzte und angestellte Zahnärztinnen/-ärzte.
3 Diese und weitere Informationen zum Thema Praxisgründung stellt das IDZ in seinem jährlichen „InvestMonitor Zahnarztpraxis“ bereit. Der InvestMonitor 2019 kann online abgerufen werden unter: https://www.idz.institute/publikationen/online-journal-zahnmedizin-forschung-und-versorgung/investitionen-bei-der-zahnaerztlichen-existenzgruendung-2019/
4 IGES: Investorenbetriebene MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung. Entwicklung und Auswirkungen, Berlin 2020, S. 33.
Gleichwertige Versorgung deutschlandweit sicherstellen – Niederlassungen fördern und Versorgungsstrukturen in ländlichen und strukturschwachen Räumen stärken
Aktuell befindet sich die zahnärztliche Versorgung in Deutschland auf einem flächendeckend guten Niveau. Jedoch steht bei einer prognostischen Betrachtung zu befürchten, dass sich dieses Bild in den nächsten fünf bis zehn Jahren gerade in ländlichen Regionen sowohl der alten als auch der neuen Bundesländer ändern wird. Dort wird in den nächsten Jahren eine größere Zahl älterer Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem Beruf ausscheiden.
Um drohender lokaler Unterversorgung aktiv entgegenzuwirken, müssen Attraktivität und Chancen der Niederlassung, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Räumen, nachhaltig gefördert werden. Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte entscheiden sich vor allem dann für den Weg in die eigene Niederlassung, wenn sie „anziehende“ Bedingungen vorfinden.1 Hierzu gehören verlässliche und stabile Rahmenbedingungen, aber auch weitere Faktoren, wie beispielsweise eine schnelle Anbindung an größere Städte, ein Kinderbetreuungsplatz, Schulen oder auch die Breitbandinfrastruktur. Die Sicherung zukunftsfester Versorgungsstrukturen setzt zudem voraus, dass ausreichend Ausbildungskapazitäten für Zahnärztinnen und Zahnärzte erhalten bleiben und nicht weiter abgebaut werden. Auch die Fachkräftesicherung bei den zahnmedizinischen Fachangestellten ist für die Praxen von zentraler Bedeutung.
Planungssicherheit spielt bei den hohen Investitionen für eine eigene zahnärztliche Niederlassung von im Durchschnitt rund einer halben Mio. Euro2 eine entscheidende Rolle. Wir begrüßen daher die Ermöglichung von Strukturfonds und weiteren Sicherstellungsinstrumenten für die KZVen durch das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (2020). Damit können die KZVen als Trägerinnen des Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrags proaktiv und zielgenau reagieren, wenn sich lokale Versorgungsengpässe andeuten und z. B. Investitionskosten bei Praxisneugründungen oder -übernahmen bezuschussen.
Die gesetzlichen Grundlagen für die vertragszahnärztlichen Sicherstellungsinstrumente gilt es auszubauen und weiter zu flexibilisieren. Auch ist die Höhe der von Kassen und KZVen einbringbaren Strukturfondsmittel noch zu gering und sollte angehoben werden. |
Ein gründungsfreundliches Umfeld entsteht auch dadurch, dass die bürokratischen Anforderungen für die Niederlassung möglichst gering sind.3 Eine überbordende Regulierung bei der Gründung und steigender Verwaltungsaufwand in den zahnärztlichen Praxen wirken auf niederlassungswillige Zahnärztinnen und Zahnärzte in hohem Maße abschreckend. Anstatt in Bürokratie und Verwaltung zu versinken, sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte mehr Zeit für die Patientenbehandlung haben.
Bei rechtlichen Regelungen und ihrer praktischen Umsetzung sollte der administrative Aufwand für die Zahnarztpraxen stärker in den Blick genommen werden. Es braucht eine Bürokratiebremse ergänzt durch ein verbindliches Bürokratieabbauziel für die Zukunft. |
Zahnärztinnen und Zahnärzte beklagen die fehlende finanzielle Planungssicherheit, komplexe Honorarabrechnungen und die Gefahr von Kürzungen. Zur Bewältigung der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber die Obergrenzen der Gesamtvergütungen für die Jahre 2021 und 2022 aufgehoben. Die vergangenen Jahre zeigen, dass vom vertragszahnärztlichen Versorgungsbereich keine Gefahr für stabile GKV-Finanzen ausgeht. Der Anteil der zahnärztlichen Ausgaben an den GKV-Gesamtausgaben ist über die Jahre kontinuierlich gesunken, obwohl der GKV-Leistungskatalog ausgebaut wurde.
Daher sprechen wir uns dafür aus, die im SGB V vorgesehene Pflicht zur Vereinbarung von Vergütungsobergrenzen zwischen den Gesamtvertragspartnern über die Jahre 2021 und 2022 hinaus dauerhaft aufzuheben. |
1 Klingenberger, David: Die zahnärztliche Niederlassung: Stand der Forschung zur Praxisgründung, Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln, 2018.
2 „InvestMonitor Zahnarztpraxis 2019“ des IDZ: https://www.idz.institute/publikationen/online-journal-zahnmedizin-forschung-und-versorgung/investitionen-bei-der-zahnaerztlichen-existenzgruendung-2019/
3 Kettler, Nele: Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. Berufsbild – Patientenversorgung – Standespolitik, Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln, Juni 2021.
Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen – Krisenreaktionsfähigkeit des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems stärken
Versorgungsstrukturen erhalten – Rahmenbedingungen der vertragszahnärztlichen Versorgung auf zukünftige Pandemien und Katastrophensituationen hin präventiv ausrichten
Die Corona-Pandemie stellt die ganze Gesellschaft und das Gesundheitswesen im Besonderen vor enorme Herausforderungen. Mit allen Kräften trägt das vertragszahnärztliche Versorgungssystem seinen Anteil dazu bei, die Pandemie zu bewältigen und stellt seine Verlässlichkeit und Belastbarkeit unter Beweis. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte sind auch in der Pandemie immer für ihre Patientinnen und Patienten da. Unterstützt von KZBV und den KZVen tun sie alles dafür, sowohl die reguläre Versorgung als auch die Versorgung von infizierten und unter Quarantäne stehenden Patientinnen und Patienten bei maximalem Infektionsschutz aufrecht zu erhalten. Die zahnärztliche Selbstverwaltung bewährt sich auch in Krisenzeiten.
Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Noch immer kann es zu unvorhersehbaren Herausforderungen kommen. Erst langsam wird sich zeigen, wie eine „neue Normalität“ aussehen wird. Bereits heute ist jedoch klar, dass die Pandemie und ihre Folgen für das Gesundheitswesen und die vertragszahnärztliche Versorgung lange nachwirken werden. Es gilt jetzt, Lehren aus den Erfahrungen der Pandemie zu ziehen, um Weichen neu zu stellen und Rahmenbedingungen auf zukünftige Krisensituationen hin präventiv auszurichten.
Die zahnärztliche Versorgung ist ein fester Bestandteil der Daseinsvorsorge und der ambulanten medizinischen Versorgung. Die Mundgesundheit ist für die Gesundheit insgesamt von großer Bedeutung und bringt einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen mit sich.
Die erreichten Erfolge bei der Mundgesundheit dürfen in Ausnahmesituationen einer Pandemie nicht gefährdet werden. Es gilt daher, die zahnärztliche Versorgung in der Krise und auch darüber hinaus flächendeckend und wohnortnah sicherzustellen. Mit Beginn der Corona-Pandemie haben Rückgänge des Versorgungsgeschehens die zahnärztlichen Praxen hart getroffen. Einher ging dies mit großen Unsicherheiten für die Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihre Praxisteams.
In dieser Situation wurde den Zahnarztpraxen im Frühjahr 2020 ausschließlich ein reiner Kredit in Form einer befristeten Liquiditätshilfe mit hundertprozentiger Rückzahlungsverpflichtung zur Abfederung ihrer krisenbedingten Lasten gewährt. Dadurch wurden die zahnärztlichen Versorgungsstrukturen auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Um die Versorgungstrukturen dauerhaft und über die Pandemie hinaus zu erhalten, sind Rückzahlungsverpflichtungen grundsätzlich ungeeignet. Auch die Krankenkassen haben eine Mitverantwortung für den Erhalt der Versorgungsstrukturen.
Sehr zu begrüßen ist, dass mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Ende 2020 ein Weg beschritten wurde, einen Teil der Pandemiefolgen abzumildern. Die Gewährung der Liquiditätshilfe auch im Jahr 2021, die Streckung der Rückzahlungsverpflichtung auf den Zeitraum 2021 bis 2023, die Aufhebung der Ausgabenobergrenze für 2021 und 2022 und die verzerrungsfreie Fortschreibung der Gesamtvergütung für zwei Jahre sind wichtige strukturerhaltende Maßnahmen. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit für die KZVen, junge Praxen unter angemessener Beteiligung der Krankenkassen finanziell unterstützen zu können. Auf dieser Grundlage setzen wir uns dafür ein, die Versorgungsstrukturen flächendeckend und wohnortnah zu erhalten und die Folgen der Corona-Pandemie für die Zahnarztpraxen abzufedern.
Die Corona-Pandemie hat das vertragszahnärztliche Versorgungssystem vor große Herausforderungen gestellt. Nun gilt es, daraus für die Zukunft zu lernen und die in der Pandemie gemachten Erfahrungen zu nutzen, um die Weichen so zu stellen, dass Lasten zukünftiger Krisen besser abgefedert werden können. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die vertragszahnärztliche Versorgung sollten daher auf künftige Pandemien und Katastrophensituationen hin präventiv ausgerichtet werden, um die bewährten Versorgungsstrukturen flächendeckend und wohnortnah zu erhalten.
Um die Krisenreaktionsfähigkeit der vertragszahnärztlichen Versorgungsstrukturen zu stärken, müssen wir uns heute darauf vorbereiten, zukünftige Pandemien oder Krisen besser bewältigen zu können. Die mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Ende 2020 eingeführten Instrumente zum Schutz der vertragszahnärztlichen Versorgungsstrukturen sollten daher zu dauerhaften Kriseninstrumenten weiterentwickelt und Ausgleichszahlungen für besonders existenzbedrohte Praxen gesetzlich verankert werden, ohne dass diese mit einer Rückzahlungsverpflichtung versehen sind. Für den Erhalt und die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgungsstrukturen tragen auch GKV und PKV eine Mitverantwortung. Für die Zukunft muss sichergestellt werden, dass die Zahnarztpraxen im Krisen- oder Pandemiefall mit einer ausreichenden Menge an persönlicher Schutzausrüstung und Hygienebedarf versorgt werden können und deren Finanzierung gesichert ist. Essenziell ist dabei auch die Förderung einer europäischen Beschaffung, Produktion und Bevorratung von persönlicher Schutzausrüstung und Hygienebedarf. |
Gemeinsame Schlussfolgerungen innerhalb des Gesundheitswesens initiieren
Auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist, lässt sich heute bereits festhalten, dass sich das deutsche Gesundheitswesen und seine Strukturen angesichts der großen Herausforderungen als robust und tragfähig erwiesen haben. Einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise leistet das schnelle, flexible und unbürokratische Handeln der Selbstverwaltung, ebenso wie das gemeinschaftliche Handeln von Selbstverwaltung und Politik.
Dennoch ist gerade zu Beginn der Pandemie nicht alles rund gelaufen. Zudem hat jede Organisation, jede Institution des Gesundheitswesens eigene Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen und für sich Lehren aus der Pandemie gezogen. Diese sollten gebündelt und nutzbar gemacht werden, damit das Gesundheitswesen in seiner Gesamtheit auf zukünftige Pandemien und Krisensituationen besser vorbereitet ist. Ziel sollte es sein, die Krisenreaktionsfähigkeit des Gesundheitswesens als Ganzes zu stärken, um bei jeder neuen Krise aus dem Stand heraus handlungsfähig zu sein.
Wir schlagen daher einen institutionenübergreifenden Austausch der Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Corona-Pandemiebewältigung vor. In diesem Rahmen sollten Stärken und Schwächen identifiziert sowie konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet und Maßnahmen zur Bewältigung zukünftiger Krisen auf den Weg gebracht werden. Hier bringen wir uns mit unseren Erfahrungen ein. |