Zentrale Regelungen für vertragszahnärztliche Praxen
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist das bislang umfassendste gesundheitspolitische Gesetzgebungsverfahren der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen. Das Gesetz ist am 11. Mai 2019 in Kraft getreten.
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hat sich - im koordinierten Zusammenwirken mit den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) und anderen Verbänden und Körperschaften - über viele Monate hinweg aktiv in das Gesetzgebungsverfahren durch politische Forderungen und konkrete Vorschläge eingebracht. In zahlreichen Gesprächen mit den politischen Entscheidungsträgern wurde intensiv diskutiert und Überzeugungsarbeit für unsere Positionen geleistet.
Dieser Einsatz hat sich für den gesamten Berufsstand „unter dem Strich“ gelohnt! Wir konnten uns mit unseren Positionierungen vielfach durchsetzen. Der Vertragszahnärzteschaft ist es damit gelungen, wichtige Struktur- und Versorgungsverbesserungen zu erwirken. Wir konnten damit einen weiteren wichtigen Beitrag leisten, unser Gesundheitssystem im Interesse unseres Berufsstandes und unserer Patienten mitzugestalten.
Wir informieren an dieser Stelle über wesentliche Neuregelungen des TSVG, die für den Praxisalltag von Zahnärztinnen und Zahnärzten relevant sind. Wir hoffen, damit die anhaltende Diskussion über die Folgewirkungen dieses äußerst komplexen Gesetzes zu versachlichen und zur Klärung der Wirkweise einzelner Regelungen beizutragen.
Was hat die Zahnärzteschaft erreicht?
- Mit dem TSVG wird die Punktwertdegression für vertragszahnärztliche Leistungen vollständig beseitigt, also die bislang gesetzlich vorgegebene Kürzung von zahnärztlichen Honoraransprüchen bei Überschreiten bestimmter Punktmengengrenzen durch Punktwertminderungen. Diese Honorarkürzungen kamen ausschließlich den Krankenkassen zugute.
Die jetzt erreichte Abschaffung der Degression bringt eine erhebliche Verbesserung mit sich – sowohl für Praxen als auch für Patienten, da insbesondere die Niederlassung in ländlichen, strukturschwächeren Regionen durch den Wegfall der Honorarabschläge attraktiver wird. Die Beseitigung des planwirtschaftlichen Instruments der Degression ist ein elementarer Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung in der Fläche und war für die KZBV und die KZVen im Interesse aller Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte seit vielen Jahren eine Kernforderung, der mit dem TSVG jetzt endlich Rechnung getragen wurde!
- Des Weiteren wurde eine spezielle Regelung zur Gründung zahnärztlicher MVZ – so genannte Zahnarzt-MVZ (Z-MVZ) – durch Krankenhäuser geschaffen. Deren Gründungsbefugnis für Z-MVZ ist künftig von der Wahrung bestimmter Versorgungsanteile abhängig, die durch die von einem Krankenhaus gegründeten, beziehungsweise betriebenen Z-MVZ nur noch maximal erreicht werden dürfen. Diese Anteile richten sich prozentual gestaffelt nach dem Versorgungsgrad des jeweiligen Planungsbereiches:
- In grundsätzlich bedarfsgerecht versorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad von 50 % bis 110 %) beträgt der zulässige Versorgungsanteil eines Krankenhauses beziehungsweise „seiner“ Z-MVZ in dem betreffenden Planungsbereich maximal 10 %, mindestens jedoch fünf Z-MVZ-Sitze/Zahnarztstellen in Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad zwischen 50 % und 99,9 %.
- In unterversorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad von unter 50 %) erhöht sich der zulässige Versorgungsanteil auf maximal 20 %.
- In überversorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad ab 110 %) reduziert sich der zulässige Versorgungsanteil auf maximal 5 %.
- In grundsätzlich bedarfsgerecht versorgten Planungsbereichen (entspricht einem Versorgungsgrad von 50 % bis 110 %) beträgt der zulässige Versorgungsanteil eines Krankenhauses beziehungsweise „seiner“ Z-MVZ in dem betreffenden Planungsbereich maximal 10 %, mindestens jedoch fünf Z-MVZ-Sitze/Zahnarztstellen in Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad zwischen 50 % und 99,9 %.
- Die Begrenzung auf bestimmte Versorgungsanteile gilt entsprechend auch für die Erweiterung bereits bestehender Z-MVZ, so dass auch hier der maximal zulässige Versorgungsanteil des betreffenden Krankenhauses nicht überschritten werden darf.
- Auf die MVZ-Gründungsbefugnis von Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzten bezieht sich die Neuregelung hingegen nicht, sondern ausschließlich auf die Gründungsbefugnis von Krankenhäusern und deren Betreibern beziehungsweise Inhabern.
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Hintergrund und Fazit: Z-MVZ und Investoren
Mit der durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) im Jahr 2015 ermöglichten Gründung auch fachgruppengleicher und damit auch reiner Zahnarzt-MVZ wurde faktisch die gesamte ambulante zahnärztliche Versorgung dem potentiellen Zugriff von (versorgungsfremden) Finanzinvestoren geöffnet. Solche Investoren und Private Equity-Fonds – zum Teil mit Sitz in Übersee und in Steueroasen – haben in den vergangenen Jahren häufig ein zur Gründung von MVZ berechtigtes Krankenhaus erworben und konnten dann bislang über dieses Vehikel beliebig viele Z-MVZ gründen, betreiben und mitunter Dentalkettenstrukturen aufbauen.Den damit verbundenen negativen Auswirkungen wie zum Beispiel einer Konzentration und Kommerzialisierung von Versorgung soll – nachdem die politischen Bemühungen der Vertragszahnärzteschaft zunächst auf eine fachliche und räumliche Begrenzung der Gründung von Z-MVZ durch Krankenhäuser abzielten – mit der jetzt im Gesetz verankerten „Quotenregelung“ begegnet werden. Nach dieser Vorgabe wird die Gründungsberechtigung von Krankenhäusern für Z-MVZ mit Inkrafttreten des TSVG auf ein sachgerechtes Maß von entsprechenden Quoten beziehungsweise Versorgungsanteile begrenzt, ohne die Gründungsberechtigung von Krankenhäuser für Z-MVZ vollständig auszuschließen.
Mit dem erklärten Ziel, die bestehende gute vertragszahnärztliche Versorgung in Deutschland im Interesse der Versicherten auch künftig zu erhalten, hat der Gesetzgeber aus Sicht von KZVen und KZBV die richtige Antwort auf die zuletzt ausufernde Investorenaktivität formuliert. Die Regelung wird aus unserer Sicht dazu beitragen, die nötige Anbietervielfalt in einem gut austarierten Versorgungssystem zu gewährleisten und die Versorgung der Patienten auch weiterhin überall wohnortnah und flächendeckend sicherzustellen.
Zugleich wird der bislang gänzlich ungebremste Zustrom von Fremdinvestoren und Private Equity-Fonds, die überwiegend von Renditeerwartungen geleitet werden, durch die verabschiedete Vorgabe ordnungspolitisch ausgewogen und sinnvoll reguliert. Das geschieht nicht zuletzt auch im Interesse einer gemeinwohlorientierten Versorgung durch bewährte Praxisformen.
- Die Festzuschüsse der gesetzlichen Krankenkassen bei Zahnersatz werden durch das TSVG zum 1. Oktober 2020 von derzeit 50 % auf dann 60 % erhöht. Im Zuge dessen steigen folglich auch die Boni, die Versicherte erhalten, die mit ihrem Bonusheft eine regelmäßige Inanspruchnahme zahnärztlicher Vorsorgeuntersuchungen nachweisen können, von 60 % beziehungsweise 65 % auf 70 % beziehungsweise 75 %. In begründeten Ausnahmen soll künftig zudem das einmalige Versäumen der Vorsorgeuntersuchung für die Bonusregelung bei Zahnersatz folgenlos bleiben.
Im Falle einer unzumutbaren Belastung (so genannte Härtefallregelung) haben Versicherte Anspruch auf den Gesamtbetrag aus Festzuschuss (künftig 60 %) und zusätzlichem Betrag (künftig 40 %), mithin also auf einen Betrag von 100 %. Sämtliche beschriebenen Neuregelungen im Bereich der Festzuschüsse bei Zahnersatz entlasten Millionen von Patientinnen und Patienten finanziell und erleichtern zugleich die Versorgung mit Zahnersatz in vertragszahnärztlichen Praxen.
- Das TSVG führt zudem eine Mehrkostenregelung bei kieferorthopädischen Leistungen analog der bewährten Mehrkostenregelung bei zahnerhaltenden Maßnahmen ein. Das bedeutet, dass gesetzlich Versicherte, die eine KFO-Versorgung über die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) abgebildeten kieferorthopädischen Leistungen hinaus wählen, die Mehrkosten für diese Behandlung selbst tragen müssen. Diese Regelung stärkt die Autonomie der Versicherten und macht KFO-Behandlungen insgesamt nachvollziehbarer und transparenter.
Zudem wurde über das TSVG eine gesetzliche Grundlage für weitergehende Konkretisierungen durch die Selbstverwaltung geschaffen. KZBV und GKV-Spitzenverband haben im Bewertungsausschuss bis spätestens Ende 2022 einen Katalog von Leistungen zu erstellen, die als Mehrleistungen vereinbart und abgerechnet werden können. Außerdem sind auf Bundesebene Formulare für die Vereinbarung von Mehr- und Zusatzleistungen zu entwickeln, die den Praxen ab einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden. Die KZVen werden künftig „anlassbezogen“ prüfen, ob die mit KFO-Behandlungen verbundenen Aufklärungs- und Informationspflichten der Zahnärztinnen und Zahnärzte gegenüber Patienten erfüllt wurden.
- Die ebenfalls im TSVG festgeschriebene Bestätigung des bewährten bundesmantelvertraglichen Gutachterverfahrens durch den Gesetzgeber ist ein wichtiges Signal sowohl für den gesamten Berufsstand als auch für Selbstverwaltung. Mit dem TSVG wurde zudem eine ausdrückliche Befugnis der Bundesmantelvertragspartner und der Gesamtvertragspartner verankert, nach der diese vereinbaren können, dass die Krankenkassen einheitlich und ausschließlich eine der beiden Verfahrensmöglichkeiten – also das Gutachterverfahren oder das so genannte MDK-Verfahren – anwenden. Derartige vertragliche Regelungen können erforderlich werden, um eine eventuelle Vermengung und ein ungeregeltes Nebeneinander von Gutachterverfahren und MDK-Verfahren zu vermeiden. Eine ausdrückliche Ermächtigung im Gesetz schafft jetzt die erforderliche Rechtssicherheit für Zahnärztinnen und Zahnärzte.
- Um die Anwendungen der Telematikinfrastruktur voranzutreiben, werden die Krankenkassen durch das TSVG dazu verpflichtet, ihren Versicherten bis spätestens zum Jahr 2021 eine elektronische Patientenakte anzubieten. Dabei ist vorgesehen, dass Patientinnen und Patienten auch ohne den Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte mittels Smartphone oder Tablet auf medizinische Daten zugreifen können. Die KZBV wird diesen Prozess eng begleiten.
- Bezüglich Abrechnungsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung werden die bisher vierjährigen Ausschlussfristen auf zwei Jahre verkürzt. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird zudem die bisher gesetzlich vorgesehene Zufälligkeitsprüfung abgeschafft und durch eine Prüfung auf begründeten Antrag der Kassen oder KZVen ersetzt. Die Bundesmantelvertragspartner vereinbaren das Nähere zu den Voraussetzungen dieser Prüfart in Rahmenempfehlungen. Die nach wie vor mögliche Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten wird für unterversorgte und von Unterversorgung bedrohte Planungsbereiche sowie solche mit zusätzlichem lokalen Versorgungsbedarf ausgeschlossen. Hinsichtlich der auf zwei Jahre verkürzten Ausschlussfrist für die Abrechnungsprüfung nach § 106d SGB V wird die Richtlinienkompetenz der Bundesmantelvertragspartner auch darauf erstreckt, die Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausschlussfrist verbindlich zu regeln, beispielsweise in Gestalt von Vorgaben zu Verfahrensschritten oder Datenübermittlungsfristen. Die KZBV wird die ihr bzw. den Bundesmantelvertragspartnern obliegenden Ausgestaltungsschritten zeitnah in Angriff nehmen.
Sollten Sie zum TSVG noch Fragen haben, steht Ihnen die KZBV oder Ihre KZV jederzeit gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.