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Viele ältere Menschen mit Pflegebedarf sowie Menschen mit Behinderungen haben eine deutlich schlechtere Zahngesundheit als andere Bevölkerungsgruppen. Das belegen wissenschaftliche Studien. Wenn ältere Menschen pflegebedürftig werden, sind viele von ihnen nicht mehr in der Lage, sich ausreichend um die Zahnpflege zu kümmern. Das gleiche gilt für viele Menschen mit Behinderungen. Hinzu kommt, dass einige von Ihnen nicht mobil sind und deshalb keine Möglichkeit haben, regelmäßig eine Zahnarztpraxis aufzusuchen. Die Erfolge jahrzehntelanger zahnmedizinischen Prävention und Zahnerhaltung werden daher oft in kurzer Zeit zunichte gemacht. Nur durch eine Verbesserung der Pflege und eine intensive prophylaktische Betreuung durch den Zahnarzt können Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen unterstützt werden.
Versorgungslücke schließen
Das derzeitige System der gesetzlichen Krankenversicherung wird den besonderen Anforderungen und Belangen von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen allerdings nicht gerecht. Es setzt voraus, dass Versicherte selbst die Zähne putzen und in die Zahnarztpraxis gehen können, also Eigenverantwortung für ihre Zahngesundheit übernehmen. Für Patienten, die diese Fähigkeiten nicht (mehr) haben, besteht eine Versorgungslücke: Zum einen zahlen die Krankenkassen keine zahnmedizinischen Präventionsleistungen für Erwachsene. Zum anderen ist die Betreuung durch zahnmedizinisches Personal, das die Patientinnen und Patienten zu Hause behandelt, nicht ausreichend. Diese systembedingten Probleme zu beheben, ist gerade vor dem Hintergrund der mit dem demographischen Wandel einhergehenden steigenden Zahl pflegebedürftiger Patienten von großer Bedeutung.
Die KZBV und die Bundeszahnärztekammer haben deshalb gemeinsam mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften ein Konzept zur besseren zahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen entwickelt. Danach sollen diese Menschen zukünftig Anspruch auf besondere präventive zahnmedizinische Leistungen ihrer Krankenkasse haben, wenn sie zur täglichen Mundhygiene nicht ausreichend in der Lage sind. Das Konzept mit dem Titel "Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter" wurde dem Bundesgesundheitsministerium überreicht. Ziel ist es, eine gesetzliche Regelung zur Lösung der bestehenden Probleme zu schaffen.
Erste gesetzliche Schritte unternommen
Der Gesetzgeber hat mit dem Versorgungsstrukturgesetz und dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz erste Schritte zur Verbesserung der Situation unternommen. Er hat für die Betroffenen einen gesetzlichen Anspruch auf aufsuchende zahnmedizinische Betreuung geschaffen, der in § 87 Abs. 2i für die aufsuchende Versorgung vor allem zu Hause und § 87 Abs. 2j in Verbindung mit § 119b SGB V in Form von Kooperationsverträgen mit Pflegeeinrichtungen verankert wurde. Damit ist es einfacher geworden, dass der Zahnarzt zum Patienten kommt, wenn der Patient nicht mehr zum Zahnarzt kommen kann. Ende März 2015 sind bundesweit bereits 2.033 Kooperationsverträge abgeschlossen und damit eine Abdeckung von 16,5 Prozent aller stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland erreicht.
Durch die neuen Leistungspositionen und die Kooperationsverträge hat die aufsuchende Versorgung erheblich zugenommen. Im Jahr 2012 – bevor die Leistungen in Kraft traten – gab es ca. 650.000 Besuche, ein Jahr später bereits ca. 725.000 und im Jahr 2014 ca. 790.000 Fälle der aufsuchenden Versorgung. Mit Abschluss weiterer Kooperationsverträge wird diese Zahl in Zukunft noch weiter steigen. Bereits im letzten Quartal 2014 wurden 27 Prozent der Besuche bei Pflegebedürftigen im Rahmen von Kooperationsverträgen durchgeführt.
Das Versorgungsstärkungsgesetz bietet die Möglichkeit, weitere Bausteine des zahnärztlichen Versorgungskonzeptes in einem § 22a SGB V umzusetzen und Versorgungslücken zu schließen, indem Versicherte, die Instruktionen zur Mundhygiene nicht verstehen oder umsetzen können, besondere Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen erhalten. Darüber hinaus ist im Versorgungsstärkungsgesetz eine verbesserte Honorierung von Narkosen in Verbindung mit zahnärztlicher Behandlung bestimmter Patientengruppen vorgesehen.
Konzept: Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter
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