Vorwort
Krisen sind dornige Chancen, heißt es. In der Corona-Pandemie hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihre Chancen genutzt, um die Zahnarztpraxen in unserem Land bestmöglich durch diese Krise ohne Beispiel zu bringen. Wir haben in einer unübersichtlichen Lage an den entscheidenden Stellen Präsenz gezeigt, als es für Patienten und Berufsstand wichtig war. Mit großen Kraftanstrengungen, persönlichem Einsatz und viel Empathie begegnen Zahnärztinnen und Zahnärzte in Praxen und Selbstverwaltungskörperschaften allen Herausforderungen der Pandemie. Zuverlässig haben wir Patientinnen und Patienten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Einhaltung höchster Hygienestandards vor Infektionen geschützt und jederzeit die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung aufrechterhalten. Enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und abgestimmtes Krisenmanagement sowie Einsatzbereitschaft, Eigeninitiative und Improvisationstalent waren zu jedem Zeitpunkt gefordert – und sind es noch.
Praktisch „aus dem Stand“ und nahezu ohne staatliche Unterstützung haben wir von Beginn der Krise an ein flächendeckendes Netz von Schwerpunktpraxen und Behandlungszentren aufgebaut, um infizierte und Verdachtsfälle unter strengsten Schutzvorkehrungen getrennt vom normalen Praxisbetrieb versorgen zu können. Bei Hygieneartikeln und Schutzausrüstung herrschten besonders in der ersten Pandemie-Welle chaotische Zustände und Knappheit auf dem Weltmarkt. Und obwohl die zahnmedizinische Versorgung von der Politik immer wieder als wichtiger Bestandteil der ambulanten Versorgung gelobt wurde, scheiterten die intensiven Bemühungen der KZBV an politischem Widerstand, unsere Versorgungsstrukturen mit einem Schutzschirm krisenfester zu machen. Die Zahnärzteschaft musste das erste Pandemiejahr weitestgehend auf sich allein gestellt meistern.
Erhebliche Rückgänge in der Leistungsinanspruchnahme waren Folge ausbleibender Patientenkontakte, die aus Angst vor Infektionen zu teilweise erheblichen Einbußen in den Praxen führten. Gerade junge Praxen waren existenziell bedroht – und sind es teils heute noch. Umso verständlicher war die tiefe Frustration der Kollegenschaft über fehlende Wertschätzung und Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Heilberufen. Selbst den Anspruch auf Kurzarbeitergeld mussten KZBV und Bundeszahnärztekammer erst einfordern und dann letztlich erfolgreich durchsetzen. Das beispielhafte Engagement der Kollegen im Verbund mit ihren Teams verdient höchsten Respekt und Anerkennung. Dass sich unsere Patienten auch und besonders in Krisenzeiten auf ihre Zahnärztinnen und Zahnärzte verlassen können, hat der Berufsstand erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Auch in der 3. Welle, die das Land noch einmal mit aller Härte getroffen hat, haben die Praxen nicht nachgelassen, die Regelversorgung der Patienten weiter sicherzustellen. Das Netz der Schwerpunktpraxen und Behandlungszentren in Betrieb zu halten, hat sich als richtige Entscheidung erwiesen. Letztendlich konnten wir mit dem GKV-Spitzenverband dann doch noch eine bundesmantelvertragliche Vereinbarung im Sinne eines „Pandemiezuschlages“ abschließen. Danach zahlten die Kassen einen Betrag von maximal 275.000.000 Euro als einmalige pauschale Abgeltung – unabhängig von der jeweiligen Gesamtvergütung an die KZVen. Damit haben die Krankenkassen ihre Mitverantwortung für die Bewältigung der Lasten der Pandemie auch im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung anerkannt. Wir werten das als Zeichen der Bereitschaft, zu einem dauerhaft guten vertragspartnerschaftlichen Miteinander zurückzufinden.
Erfolgreich waren auch unsere Aktivitäten auf politischer Ebene. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege hat der Gesetzgeber zentrale Forderungen der KZBV aufgegriffen, mit deren Hilfe das vertragszahnärztliche Versorgungssystem ein stückweit krisenfester gemacht werden kann. Trotz aller Widrigkeiten, trotz herber politischer und innerberuflicher Widerstände und Rückschläge haben wir mit vereinten Kräften die Pandemie bislang gut bewältigt. Bei aller verständlichen Hoffnung auf eine „neue Normalität“ dürfen wir Achtsamkeit und Vorsicht nicht aufgeben. Die nächste Krise könnte nicht allzu lange auf sich warten lassen. Daher fordert die KZBV aus den Erfahrungen der Corona-Jahre zu lernen und konkrete nationale Bewätigungsstrategien und Notfallpläne zu erarbeiten. Wir haben unsere Erfahrungen in einem „lessons learned“-Papier zusammengefasst und in die politische Diskussion getragen. Lediglich auf Sicht zu fahren, langwierige und kontroverse Meinungsbildungsprozesse föderaler Natur auszutragen und so die Bevölkerung zu verunsichern, ist kein Rezept für die Zukunft.
Auch unsere versorgungspolitischen Themen und Leuchtturmprojekte haben wir trotz Corona erfolgreich nach vorne gebracht: Allem voran ist die systematische Behandlung der Volkskrankheit Parodontitis zu nennen, die seit 1. Juli vor einem grundlegenden Neuanfang steht. Zu diesem Datum ist die neue Parodontitis-Richtlinie sowie auch die Richtlinie für die PAR-Behandlung vulnerabler Gruppen nach § 22a SGB V in Kraft getreten. Gesetzlich versicherte Patienten können seitdem umfassend und dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechend versorgt werden. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens begreifen wir weiterhin als Chance, um einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsinformationen zu schaffen, Gesundheitskompetenz zu stärken und Bürokratielasten in Praxen zu bewältigen, um so die Versorgung zu verbessern und effizienter zu gestalten. So sind Videosprechstunden, Videofallkonferenzen und Telekonsile auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung im Einsatz. Bei der unlängst verabschiedeten IT-Sicherheitsrichtlinie konnten wir gegen vielfältige Widerstände eine bürokratiearme Lösung durchsetzen, die in den Praxen umsetzbar ist.
Es bleibt zudem unsere Aufgabe, mit Nachdruck deutlich zu machen, dass Fristen, Sanktionen und unabgestimmte Systemwechsel die Akzeptanz für den Ausbau der Telematikinfrastruktur nicht fördern. Es muss klar sein, dass nur eine alltagstaugliche TI, nahe am Versorgungsgeschehen und mit erkennbarem Mehrwert, Voraussetzung für Motivation und Akzeptanz in der Zahnärzteschaft sein kann. Deswegen kämpfen wir weiter für eine stabile und störungsfreie TI – mit versorgungsorientierten Lösungen, ohne Fristen und Sanktionen, ohne Verwaltungs- und Bürokratieaufwand und mit refinanzierten Kosten für den digitalen Transformationsprozess. Auch ein ‚Weiter so‘ auf dem Weg zu mehr Vergewerblichung darf es nicht geben. Erst unlängst haben zwei Gutachten die negativen Auswirkungen von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren auf die zahnmedizinische Versorgung klar belegt. iMVZ leisten demnach kaum einen Beitrag zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. Die Gutachten bestätigen zudem unsere Sorge, dass in iMVZ zahnmedizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen überlagert werden. Es ist daher zwingend erforderlich, mehr Transparenz über die Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen von iMVZ zu schaffen.
Unsere aktuellen Forderungen im Detail, Vorschläge und Konzepte für die Bundestagswahl und die folgende Legislatur haben wir mit der Agenda Mundgesundheit 2021-2025 an die Politik adressiert. Darin machen wir konkrete Vorschläge, wie wir unsere Ziele erreichen und die Herausforderungen meistern können. Dafür benötigen wir politische Rahmbedingungen, die dem Stellenwert der zahnmedizinischen Versorgung als festem Bestandteil der Daseinsvorsorge und der ambulanten medizinischen Versorgung Rechnung tragen und passgenaue Lösungen für die Besonderheiten der zahnmedizinischen Versorgung ermöglichen. Das zahnärztliche Versorgungssystem muss eine ebenso robuste und wie leistungsfähige Säule des Gesundheitssystems bleiben. Dafür setzen wir uns mit aller Kraft ein. So sehr uns das Corona-Virus im Jahr 2020 in Atem gehalten hat und uns auch weiterhin vor Herausforderungen stellt, so sehr arbeiten wir als KZBV gemeinsam mit den 17 KZVen an der Realisierung unserer Konzepte zur Modernisierung und Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung.
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