Rede Martin Hendges
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr verehrten Gäste,
im Namen des neu gewählten Vorstands möchte auch ich Sie herzlich willkommen heißen zu unserer ersten regulären VV nach der Konstituierung und Wahl im März. Ich freue mich, Sie alle wohlbehalten hier in Mainz zu sehen und mich gemeinsam mit Ihnen in den nächsten zwei Tagen voller Elan dafür einzusetzen, dass unsere präventionsorientierte flächendeckende zahnärztliche Versorgung erhalten bleibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zur nächsten Bundestagswahl bleiben nicht viel mehr als zwei Jahre. Schaut man sich vor diesem Hintergrund die lange Liste der Vorhabenplanung des BMGs an, wird deutlich:
Viele der teils hochkonfliktären Gesetzesvorhaben haben zur Mitte der Legislaturperiode noch nicht das Licht der Welt erblickt, etwa die GKV-Finanzreform, das Versorgungsgesetz II und das Bürokratie-Entlastungsgesetz. Aus den Erfahrungen der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode wissen wir, dass die Zeitpläne des BMGs mit großen Unwägbarkeiten verbunden sind.
Konkret angekündigte Gesetzentwürfe verschieben sich teilweise um Monate, Prioritäten rücken nach hinten, Vorhaben sollen erst in einem, dann in einem anderen Gesetz geregelt werden und zugleich ist eine ad-hoc-Gesetzgebung nie ausgeschlossen. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich die Abstimmung innerhalb der Ampel immer schwieriger gestaltet. Ich denke hier nur an den öffentlich ausgetragenen Streit um das Heizungsgesetz oder den Bundeshaushalt für 2024, für den bis heute kein Entwurf vorliegt.
Dieser Eindruck hat sich vorletzte Woche auch in meinem Gespräch mit dem Bundesminister verfestigt. Zum Stichwort „ad-hoc Gesetzgebung“ passt, dass gestern auf einen Schlag gleich drei Referentenentwürfe in Berlin aufgeschlagen sind und nun kursieren: Die Referentenentwürfe der beiden Digitalisierungsgesetze und der Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes. Ich komme darauf später noch ausführlicher zu sprechen.
Dazu sei aber jetzt schon angemerkt, dass uns bislang keiner der Entwürfe offiziell vom BMG zugeleitet wurde. Die gute Nachricht ist: Im Haus hatten wir uns bereits darauf vorbereitet, mit einem Mal eine geballte Ladung von Gesetzentwürfen aus dem BMG bewältigen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass dies in den kommenden Wochen und Monaten so weitergeht und uns nur ein kurzes Zeitfenster bleibt, um unsere eigenen Konzepte und Vorschläge einzubringen und Dinge zum Besseren zu wenden.
Ganz entscheidend ist daher, dass wir mit unseren Themen und Forderungen selbst offensiv nach vorne gehen. So wie wir es jetzt mit der Kampagne „Zähne zeigen“ tun. Lassen Sie mich noch einmal kurz darstellen, was wir mit der Kampagne erreichen wollen und warum wir uns zu diesem Zeitpunkt so lautstark zu Wort melden:
Mit dem GKV-FinStG ist im vergangenen November ein Gesetz in Kraft getreten:
- das die Versorgung gefährdet,
- das in den Praxen den wirtschaftlichen Druck weiter erhöht und
- das die flächendeckende Versorgung in bestimmten Regionen ernsthaft infrage stellt.
Ganz bewusst hatte sich Minister Lauterbach im Gesetzgebungsverfahren auf die Seite der Kostendämpfung geschlagen. Der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten werden die Auswirkungen des Gesetzes über Jahre schaden – das wird besonders jetzt evident, wo das GKV-FinStG und die enthaltenen Kostendämpfungsmaßnahmen ihre Wirkung entfalten. Besonders fatal ist, dass das GKV-FinStG der dringend notwendigen, neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie die Finanzmittel entzieht und damit ihren Roll-out verhindert.
In aller Deutlichkeit: Korrigiert die Politik diesen schwerwiegenden Fehler nicht, nimmt sie die neue Parodontitistherapie nicht aus der Budgetierung heraus, ist dieser versorgungspolitische Meilenstein stark gefährdet! Als wir vor diesem Scherbenhaufen des GKV-FinStG standen, war uns schnell klar: Wir können und wir wollen das nicht hinnehmen. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten fahrlässig aufs Spiel gesetzt wird.
Wenn wir die präventionsorientierte Parodontitisversorgung retten wollen, dann müssen wir jetzt aktiv werden. Sie alle wissen, dass im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-FinStG alle sachlichen Argumente und Stellungnahmen weitestgehend ignoriert wurden. Auch das ist ein Grund, warum wir uns nun für das Instrument einer öffentlichkeitswirksamen, lauten und pointierten Kampagne entschieden haben.
Dennoch möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, unsere Sachargumente für alle deutlich hörbar noch einmal auf den Punkt bringen:
- Der Gesetzgeber hatte mit dem Versorgungsstrukturgesetz ab 2012 für die vertragszahnärztliche Versorgung die Budgetierung der Gesamtvergütungen aufgehoben.
- Gleichwohl hat sich unser Versorgungsbereich nicht als Kostentreiber für die Ausgaben der GKV entwickelt. Der Anteil der Ausgaben für zahnärztliche Versorgung an den gesamten Leistungsausgaben der GKV ist weiter kontinuierlich auf rund 6 % in 2021 gesunken. 2000 betrug dieser Anteil noch knapp 9 %. Das ist der Erfolg und die Konsequenz einer kontinuierlich präventionsorientierten Ausrichtung in der Zahnmedizin. Vom zahnärztlichen Versorgungsbereich geht also überhaupt kein Kostenrisiko für die GKV aus. Ganz im Gegenteil: Auch mit Blick auf die Stabilität des GKV-Systems ist es nicht zielführend, wenn Präventions- und Prophylaxeleistungen die finanzielle Grundlage entzogen wird. Dies wäre langfristig für das GKV-System erst recht mit erheblich höheren Kosten verbunden.
- Jeder zweite Erwachsene leidet an einer behandlungsbedürftigen Parodontitis – das muss man sich einmal vor Augen führen! Die Studienlage zur PAR und den Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit ist eindeutig.
- Unbehandelt ist Parodontitis die häufigste Ursache für vermeidbaren Zahnverlust und steht in Wechselwirkung mit schweren Allgemeinerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
- Und ganz wichtig für die anstehenden politischen Debatten ist Folgendes: Die neue Therapie befindet sich immer noch ganz am Anfang der Einführungsphase, die über mehrere Jahre bis 2024 gestreckt sein wird.
- Die Behandlung erstreckt sich insgesamt über einen Zeitraum von drei Jahren. Dabei fallen rund 40 % der Behandlungskosten idealtypisch auf das erste Jahr, rund 30 % jeweils auf die beiden Folgejahre. Durch die mit dem GKV-FinStG eingeführte strikte Budgetierung für 2023 und 2024 fehlen die finanziellen Mittel in der Einführungsphase.
- Somit können wir die neue Parodontitistherapie nicht flächendeckend auf ein hohes Niveau heben.
Ich kann Ihnen versichern: Wir standen und stehen im intensiven Austausch mit dem BMG, haben in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche geführt, mit Herrn Lauterbach, mit Frau Dittmar, aber natürlich auch mit den zahnärztlichen Berichterstattern im Bundestag und weiteren Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene, mit den Koalitionsfraktionen, mit der Opposition. In diesen Gesprächen habe ich unsere Argumente nochmals in aller Deutlichkeit dargelegt.
Jetzt ist die Bundesebene am Zug, nicht nur auf Seiten der Ampel, sondern auch die Unterstützung von Seiten der Opposition kann für uns ein wichtiger Pfeiler sein. Das BMG wurde im GKV-FinStG dazu verpflichtet, bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen des Gesetzes auf den Umfang der Versorgung mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis zu evaluieren. Wir werden dies zum Anlass nehmen, unsere Argumente, wie ich Sie gerade dargelegt habe, mit Daten aus der Versorgung zu untermauern.
In dem Zusammenhang darf ich mich auch bei allen KZV-Vorständen für die schnelle Beantwortung der Abfrage bedanken, die wir zeitnah immer wieder aktualisieren müssen, um sprachfähig bleiben zu können. Wir müssen weiterhin unmissverständlich klar machen: Die neue präventionsorientierte Parodontitistherapie ist ein Meilenstein, ein Quantensprung für die Versorgung! Sie muss auch weiterhin ermöglicht werden!
Deshalb appelliere ich heute noch einmal an Minister Lauterbach und das BMG: Nehmen Sie zumindest die Parodontitistherapie voll umfänglich aus der Budgetierung heraus! Stoppen Sie diese verantwortungslose kurzsichtige Sparpolitik auf Kosten der Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten, auf Kosten der zahnärztlichen Versorgung! Wir setzen darauf, dass uns die Kampagne für die weiteren politischen Gespräche, gerade mit Blick auf den Evaluationstermin Ende September, den notwendigen Rückenwind gibt. Deshalb haben wir die Parodontitisversorgung auch zunächst in den Fokus gerückt.
Aber es steht noch viel mehr auf dem Spiel: Die GKV-Finanzierung ist und bleibt angespannt. Zum 31. Mai sollte das BMG seine Empfehlungen für eine Finanzreform der GKV vorlegen. Öffentlich geworden sind diese Empfehlungen bislang nicht. Sie stecken in einer regierungsinternen Frühkoordinierung und sind damit den wildesten öffentlichen Spekulationen ausgesetzt. Jeder, der sich berufen fühlt, meldet sich mit teilweise haarsträubenden Forderungen nach Leistungskürzungen zu Wort. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat Anfang Juni der Vorschlag eines IKK-Vorstandes, die zahnärztliche Versorgung komplett aus dem Leistungskatalog der GKV zu streichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche unsozialen und von völliger Unkenntnis geprägten Hirngespinste verdienen es eigentlich nicht, überhaupt reproduziert zu werden.
Ich will am Beispiel dieser Äußerung aber zeigen, dass wir jetzt ganz genau aufpassen müssen, dass die zahnärztliche Versorgung nicht weiter unter die Räder gerät. Mit Blick auf die Empfehlungen des BMGs und eine folgende Finanzreform, die noch im November abgeschlossen sein soll, müssen wir extrem gut vorbereitet sein und uns gegen mögliche weitere Sparmaßnahmen munitionieren. Jegliche Leistungskürzungen lehnen wir entschieden ab.
Einen erneuten Frontalangriff auf die Zahnärzteschaft, auf die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten lassen wir uns nicht gefallen! Auch deshalb müssen wir uns mit unserer Kampagne lautstark zu Wort melden. Unsere Kampagne ist keine Eintagsfliege. Wir brauchen einen langen Atem. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass wir nicht lockerlassen.
Gerade rund um die Evaluation der Parodontitisversorgung Ende September wird es von immenser Bedeutung sein, die Aufmerksamkeit für unsere Anliegen hoch zu halten. Deshalb bitte ich Sie alle hier noch einmal eindringlich: Die Geschlossenheit des Berufsstandes war schon lange nicht mehr so wichtig wie hier und heute! Insofern freut es mich sehr, dass wir diese Kampagne auf Bundesebene gemeinsam mit unseren KZVen und im Schulterschluss mit der Bundeszahnärztekammer, den Länderzahnärztekammern und Verbänden nach vorne bringen. Nur so kann es uns gelingen, die gewünschte politische und öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen.
Beteiligen Sie sich alle an der Kampagne, motivieren Sie die Praxisteams vor Ort, aktiv zu werden und vor allem die Patientinnen und Patienten mitzunehmen. Der Erfolg der Kampagne steht und fällt mit einer zahlreichen Beteiligung von Ihnen, von uns allen! Auch die Veranstaltungen in den Ländern sind für uns äußerst wichtig, um unseren Botschaften Nachdruck zu verleihen.
Das bisherige Engagement des Berufsstandes ist hier wirklich enorm. Ich denke an die Protestveranstaltungen etwa in Nordrhein und Westfalen-Lippe, an denen ich ja selbst teilgenommen habe. Dafür möchte ich allen Initiatoren und Beteiligten ganz herzlich Danke sagen. Toll ist auch, dass sich an diesen Veranstaltungen auch die ZFAs so zahlreich beteiligen. Dafür bedanke ich mich insbesondere beim Verband medizinischer Fachberufe.
Mit diesem Elan und dieser Tatkraft muss es weiter nach vorne gehen! Wir brauchen Sie alle, damit die Kampagne ein Erfolg wird und wir unsere politischen Ziele erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben über Jahre und Jahrzehnte hinweg die große Volkskrankheit Karies erfolgreich bekämpfen können und die Mundgesundheit in Deutschland kontinuierlich und nachhaltig verbessert – und zwar durch die Hinwendung zu einer präventionsorientieren Zahnmedizin. Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Frau Dittmar, hat sich auf unserem Frühjahrsfest dafür gerade erst überschwänglich bedankt und angekündigt, dass das BMG auch in Zukunft seinen Teil dazu beitragen will, die Mundgesundheit zu verbessern. Ich frage mich: Wann fängt das BMG denn in dieser Legislaturperiode damit an?
Denn als es darauf ankam, diesen Beitrag zu leisten und eine Selbstverwaltung zu stärken, die nah an den Problemen vor Ort ist, die die Versorgung sicherstellt, die den Leistungskatalog präventionsorientiert ausrichtet und die die besonderen Bedarfe der Patientinnen und Patienten, gerade auch der vulnerablen Gruppen, im Blick hat, wählte die Politik genau den anderen Weg: Sie zerstörte mit dem GKV-FinStG per Federstrich das, was wir über Jahre auch in der gemeinsamen Selbstverwaltung und mit unseren Vertragspartnern erreicht hatten. Eine solche Politik, die die Selbstverwaltung gegen die Wand drückt, ihr die Luft zum Atmen nimmt, ist unerträglich, aber leider inzwischen zur Normalität geworden.
Systematisches Misstrauen gegenüber den Akteuren der Selbstverwaltung, Ausgrenzung bei Entscheidungsprozessen, Ausweitung von Aufsichtsrechten und Entscheidungsbefugnissen des Bundes, Diffamierungen der Selbstverwaltung und ihrer Vertreter als „Lobbyisten“, das alles ist heute gelebte Praxis und schwächt die Selbstverwaltung auf allen Ebenen. Diese Angriffe auf die Selbstverwaltung sind schmerzhaft. Sie sind nur schwer zu ertragen. Aber wir dürfen uns von diesen Angriffen nicht entmutigen lassen! Wir müssen standfest bleiben und jeden Tag von Neuem für die Selbstverwaltung als tragende Säule unseres Gesundheitswesens einstehen.
Deshalb werden wir auf dieser VV erneut eine Resolution verabschieden, die die politischen Entscheidungsträger zum Umdenken aufruft. Wir fordern ein klares Bekenntnis der Politik zum besonderen Wert der Selbstverwaltung.
Wir fordern eine Rückkehr zu einem von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägten Miteinander. Das ist unsere klare Erwartungshaltung und wir werden diese immer wieder mit Vehemenz vortragen und einfordern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in das Bild einer Politik, die der Selbstverwaltung misstraut und ihr Steine in den Weg legt, in dieses Bild passt auch die bereits seit mehreren Legislaturperioden immer wieder erhobene Forderung des Bundesrechnungshofes nach gesetzlichen Prüfrechten bei der KZBV und den KZVen, bei KBV, KVen und beim G-BA. Inzwischen hat sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages diese Forderung zu eigen gemacht und das BMG aufgefordert, dem Bundesrechnungshof mit einem Gesetzentwurf genau diese Rechte zur Haushalts- und Wirtschaftsprüfung einzuräumen.
Selbstverständlich haben wir den gesamten Forderungskomplex juristisch auf Herz und Nieren prüfen lassen und zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass die geforderten Prüfrechte nach aktueller Rechtslage nicht bestehen, insbesondere da wir – anders als die Krankenkassen – nicht über Bundesmittel verfügen. Die Gutachten samt unserer ausführlichen Argumentationslinie liegen Minister Lauterbach vor, ebenso wie auch Justizminister Buschmann.
Sie werden vielleicht ahnen, was jetzt kommt: Unsere Sachargumente bleiben, wie so oft in dieser Legislaturperiode, scheinbar unberücksichtigt. Wir rechnen damit, dass das BMG tatsächlich in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Ich will deshalb an dieser Stelle noch mal ganz deutlich sagen: Die Forderung des Bundesrechnungshofs ist nicht nur rechtlich nicht haltbar.
Die Einführung weiterer Prüfmechanismen wäre unzweckmäßig und unwirtschaftlich und würde mit hohen Bürokratielasten einhergehen. Die KZBV unterliegt bereits engmaschigen, zeit- und kostenintensiven Prüfstrukturen, ergänzt von internen Kontrollstrukturen. Hinzu kommen die vielen Prüfungen bei den KZVen. Hier droht ein echtes Bürokratiemonster mit Doppel- und Parallelstrukturen und extrem hohen Kosten! Das kann doch nicht ernsthaft politisch gewollt sein! Deshalb appelliere ich an alle politischen Entscheidungsträger: Setzen Sie sich dafür ein, dass der Gesetzentwurf zur Einrichtung der Prüfrechte für den BRH nicht vorgelegt wird!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich hatte bei der Begrüßung von Minister Hoch schon das Thema iMVZ angesprochen und komme jetzt darauf zurück: „Das rasante Wachstum von MVZ birgt generell das Risiko von Konzentrationsprozessen. Im Hinblick auf das Wachstum von iMVZ bestehen darüber hinaus weitere Risiken, insbesondere für eine flächendeckende umfassende Versorgung.“ Das ist kein Zitat aus einem Analysepapier der KZBV. Das ist ein Zitat aus dem Entschließungsantrag des Bundesrates zur „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“. Diesen Antrag mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Eindämmung von iMVZ hat der Bundesrat am vergangenen Freitag mit deutlicher Mehrheit beschlossen und damit ein starkes Signal an den Bundesgesetzgeber gesendet.
Sie alle wissen, dass der Minister seit Jahresbeginn schon mehrfach angekündigt hat, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen und sich diese Ankündigung in den letzten Arbeitsplanungen des BMGs wiederspiegelt. Auch in unserem Gespräch Anfang Juni hat der Minister seine Zielsetzung nochmals bekräftigt, den Investoren einen Riegel vorschieben zu wollen. Ganz besonders danken möchte ich hier den Ländern für die sehr klare Positionierung im Bundesrat, die unseren Forderungen nochmals starken Rückenwind verleiht.
Herr Hoch war ja heute hier. Auch mit anderen Landesministerien stehen wir hierzu im Austausch. Herrn Lucha aus Baden-Württemberg zum Beispiel, der in diesem Jahr Vorsitzender der GMK ist oder dem bayerischen Landesgesundheitsminister, Herrn Holetschek, der die Entschließung des Bundesrates ganz entscheidend nach vornegebracht hat. Mit der räumlichen Beschränkung der Gründungsbefugnis, der MVZ-Schilderpflicht und der Einführung eines MVZ-Registers enthält die Bundesratsentschließung wichtige Elemente, um der Vergewerblichung der Versorgung Einhalt zu gebieten.
Aus unserer Sicht fehlt aber noch ein entscheidender Baustein, um auch in unserem zahnärztlichen Versorgungsbereich den Gefahren von iMVZ für die Patientenversorgung wirksam zu begegnen: Neben der räumlichen muss zwingend auch eine fachliche iMVZ-Gründungsbefugnis gesetzlich verankert werden. Hierzu sollte der mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz für den zahnärztlichen Versorgungsbereich beschrittene Sonderweg konsequent weiterverfolgt werden.
Zahnärztliche MVZ sollten nur von Krankenhäusern mit einer zahnmedizinischen Fachabteilung bzw. einem zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gegründet werden dürfen – das muss gesetzlich klar geregelt sein. Im Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes, das, wie ich eingangs schon berichtete, ja nun kursiert, wird die Gründung von MVZ durch Kommunen erleichtert. Zu den iMVZ enthält diese Fassung des Referententwurfs keine Regelung.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, es wird Zeit, dass Sie auf Bundesebene nun endlich Nägel mit Köpfen machen und unsere Vorschläge zu den iMVZ aufgreifen, die auf dem Tisch liegen. Auf dem Deutschen Ärztetag haben Sie angekündigt, die Regulierung von iMVZ entweder im Versorgungsgesetz I oder II zu regeln. Wir rufen Sie dazu auf: Regeln Sie es so schnell wie möglich! Nehmen Sie die Regelungen in das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz mit auf!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns nicht nur vorgenommen, die Vergewerblichung der zahnärztlichen Versorgung einzudämmen. Wir haben es auch zu einem unserer zentralen Anliegen gemacht, die Niederlassung in eigener Praxis zu fördern. Dabei wissen wir alle, dass steigende Bürokratielasten in den Praxen auf niederlassungswillige Zahnärztinnen und Zahnärzte in hohem Maße abschreckend wirken. Ein gründungsfreundliches Umfeld entsteht erst, wenn bürokratische Anforderungen möglichst gering sind und wir Zahnärztinnen und Zahnärzte endlich wieder mehr Zeit für die Patientenversorgung haben. Und auch auf Ebene der Körperschaften der Selbstverwaltung muss Bürokratie abgebaut werden. Wichtig war uns, auch hier nicht auf politische Vorgaben zu warten, sondern selbst initiativ zu werden.
Wir wissen, wo den Kolleginnen und Kollegen und ihren Teams in den Praxen der Schuh drückt. Wir wissen, wo mühsames Verwaltungshandeln die Prozesse ausbremst und erschwert.
Deshalb haben wir bereits akribisch eigene, sehr konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau erarbeitet und werden sie diesen Sommer in die Diskussion einbringen. Und zwar noch vor dem im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angekündigten Bürokratieentlastungsgesetz und vor Ablauf der Frist des BMG, Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen vorzulegen. Schon auf dieser VV werden wir dazu auch einen Antrag diskutieren. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie auf der Basis unserer Vorschläge schnelle und pragmatische Lösungen zur Bürokratieentlastung auf den Weg bringt und den im Koalitionsvertrag vereinbarten Bürokratieabbau im Gesundheitswesen zeitnah umsetzt.
Diesen Prozess werden wir engmaschig begleiten und aktiv mitgestalten. Aktiv mitgestalten werden wir auch weiterhin den digitalen Transformationsprozess des Gesundheitswesens. Georg Pochhammer wird nachher noch dezidiert auf dieses Thema zu sprechen kommen. Deshalb erlauben Sie mir, hier nur die Kernpositionen der KZBV zur Digitalisierung schlaglichtartig darzustellen und kurz auf die erst gestern durchgesickerten Referentenentwürfe der beiden Digitalisierungsgesetze des BMG, des so genannten „Digital-Gesetzes“ und des „Gesundheitsdatennutzungsgesetzes“ einzugehen, die sich ggf. auch noch mal ändern können.
Intensiv auseinandergesetzt haben wir uns mit der im März von Gesundheitsminister Lauterbach vorgestellten „Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege“. Die beiden Gesetze dienen nun der Umsetzung dieser Strategie. Nach einer ersten kursorischen Sichtung der Referentenentwürfe lässt sich folgendes feststellen: Die von uns seit Langem immer wieder stark kritisierte Sanktions- und Fristenpolitik des BMG setzt sich auch in diesen Gesetzen fort, ebenso wie die Tendenz, technische Aufgaben sowie Verwaltungslasten von den Kassen in unsere Praxen zu verlagern. Hier werden wir uns sehr deutlich mit unserer Kritik zu Wort melden.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Zahnärzte von der Verpflichtung befreit werden sollen, Schnittstellen zum elektronischen Melde- und Informationssystem (DEMIS) vorzuhalten. Wir appellieren an das BMG, praxistaugliche Rahmenbedingungen zu erreichen. Was die Praxen brauchen, ist eine stabile, störungsfreie Telematikinfrastruktur sowie digitale Lösungen, die die Versorgung mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand verbessern. Der Mehrwert der TI und ihrer Anwendungen für die Versorgung muss für die Praxen sichtbar und im Praxisalltag erlebbar werden. Mit dem Elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahren, unserem digitalen Leuchtturmprojekt, haben wir genau dafür auf Praxis- und auf Versichertenseite eine Blaupause geliefert.
Auch beim Thema Datenschutz und Datennutzung ist unsere Haltung klar: Bei Gesundheitsdaten handelt es sich um hochsensible, besonders schützenswerte Informationen. Und auch für die Akzeptanz der TI ist ein hohes Niveau von Datenschutz und Datensicherheit entscheidend. Deshalb braucht es Maßnahmen, die sicherstellen, dass Datenhaltung und Datenzugriffe den Schutzzielen der Informationssicherheit folgen. Diese Maßstäbe werden wir anlegen, wenn wir die Gesetzesvorlagen des BMG bewerten. Wir werden unsere Vorschläge einbringen und uns mit unseren Kritikpunkten wie gewohnt sehr deutlich zu Wort melden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
bevor ich gleich noch detaillierter auf die Arbeit in den Bereichen Statistik, Vertrag, Vertragsinformatik, Qualität und G-BA eingehe, komme ich noch mal auf den Anfang meiner Rede und meiner Worte zur Kampagne zurück. Diese politisch unsicheren und stürmischen Zeiten fordern von uns allen höchsten Einsatz. Lassen Sie uns von dieser VV ein deutliches Signal senden, dass die Vertragszahnärzteschaft geschlossen beieinandersteht und die anstehenden schwierigen und harten Diskussionen gemeinsam angeht.
Lassen Sie uns gemeinsam „Zähne zeigen“ – für eine präventionsorientierte moderne wohnortnahe zahnärztliche Versorgung.
Bild: © KZBV/Knoff