Rede Dr. Karl-Georg Pochhammer
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich möchte Sie zu unserer Vertreterversammlung begrüßen. Herzlich willkommen in Bonn.
Telematik
Hier in dieser Stadt wurde 1770 Ludwig van Beethoven geboren – zweifelsohne einer der bedeutendsten Komponisten aller Zeiten. Sein Geburtshaus liegt auf der anderen Rheinseite im Zentrum von Bonn und ist heute ein Besuchermagnet. Wie die Umstände es wollten, hat in der Nähe dieser Sehenswürdigkeit das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seinen Dienstsitz bezogen. Aus der räumlichen Nähe reifen keine Blütenträume, aber etwas mehr Genie und bleibende Werte würde man sich auch für die Werke des BMG wünschen.
Stattdessen blicken wir auf den Regierungsentwurf des nächsten Digitalisierungsgesetzes. Damit soll die Aufholjagd in Sachen digitaler Transformation des Gesundheitswesens beginnen, sagt der Gesundheitsminister. Treiber dieser Entwicklung sollen das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte sein. Das Wort der Stunde ist „Beschleunigung“. Damit Deutschland nicht den Anschluss verliere, müsse nun alles neu und anders werden. Die Botschaft hören wir, und teilen wir, den Neustart sehen wir allerdings bisher nicht. Im Digitalisierungsgesetz sucht man Fortschritte für den Behandlungsalltag der Zahnarztpraxen vergeblich. Dafür wird deutlich, wohin einen die fortgesetzte Demontage der Selbstverwaltung führt: Mehr Bürokratie, mehr Fristen, mehr Sanktionen.
Das ist das Ergebnis einer Gesundheitspolitik, deren Konzept auf eine simple Formel gebracht werden kann: Weniger Mitsprache für angeblich mehr Tempo. Das ist das Ziel. Und nicht die Verbesserung der Versorgung. Der Kampf des BMG gegen die Selbstverwaltung ist ein blinder Fleck in der Digitalisierungsdebatte. Es wird gerne übersehen, aber dem BMG geht es vor allem um eine freie Hand, wenn der Minister zur Aufholjagd ruft. Das Dilemma der Selbstverwaltung ist, dass sie von den Prozessen ausgeschlossen wird, die sie umsetzen soll.
Für das BMG hat das den Vorteil, die tatsächlichen Abläufe in den Praxen ausblenden zu können. In dieser Hinsicht wird mit dem Digitalisierungsgesetz ein neuer Tiefpunkt erreicht. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, nur um das zu erhärten. Eine Zahnarztpraxis hat heute im Quartal ein, vielleicht zwei Patienten, die eine elektronische Patientenakte nutzen. Das hat Gründe. Aufseiten der Bevölkerung fehlt es an Information, persönlicher Betroffenheit oder schlichtweg an Motivation, die ePA zu beantragen und einzurichten. Und aufseiten der Zahnarztpraxen erschweren technische Mängel die Nutzung. Das BMG möchte das ändern und hat die ePA in den Mittelpunkt des Digitalisierungsgesetzes gesetzt.
Es greift aber nur ein Problem auf. Mit der ePA für alle sollen die Nutzerzahlen nach oben getrieben werden bzw. die Zahl der Spender von Forschungsdaten. Immerhin, könnte man meinen, ein Problem weniger. Aber der Fokus auf die bloße Bereitstellung ist der falsche Ansatz. Das hat schon in den Praxen nicht funktioniert. Nur weil jeder die Anwendung installiert hat, heißt das noch lange nicht, dass sie zuverlässig funktioniert und schon gar nicht, dass sie regelmäßig genutzt wird. Das Schlimme an der aktuellen Situation ist: Je mehr Versicherte eine ePA nutzen, desto ungemütlicher wird die Situation für die Zahnarztpraxen. Wenn ich mich heute einmal oder zweimal im Quartal ärgern muss, weil die Ladezeiten zu lang sind oder die Berechtigungslogik zu kompliziert ist, dann kann ich darüber noch hinwegsehen. Muss ich das künftig aber täglich machen, weil die Nutzerzahlen gestiegen sind, dann kippt die Stimmung.
Ich habe Zweifel, dass ein Hochlauf der Nutzerzahlen der ePA momentan zum Durchbruch verhelfen kann. Die ePA ist in der aktuellen Version noch viel zu komplex und deshalb nicht für die regelmäßige Nutzung im Versorgungsalltag geeignet. Es darf im Übrigen auch bezweifelt werden, dass das Opt-out-Verfahren die Hürden im Registrierungsprozess spürbar absenken wird. Und die vorgesehene Berechtigungslogik sorgt für zusätzliche Verwirrung. Hinzu kommt, dass die Krankenkassen mit Sanktionen unter Druck gesetzt werden, das geplante Datum zu halten. Ab Januar 2025 soll es losgehen.
Wir alle wissen, was das bedeutet: Die Versicherten werden zu Beta-Testern. Damit ergeht es ihnen nicht anders als den Zahnarztpraxen, was aber auch kein Trost ist. Der Schmerzpunkt ist, dass das BMG nicht aus seinen Fehlern lernt. Das aktuellste Beispiel dafür ist der Plan von BMG und gematik, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der ePA wegfallen zu lassen. Damit möchte man jedoch nicht die Abläufe in den Praxen verbessern, sondern primär die Startbahn für eine schnelle Forschungsdatenfreigabe bauen. Dass dies mit der bisherigen Verschlüsselung nicht möglich ist, ist dem BMG offenbar erst jetzt aufgefallen. Und deshalb soll dies nun schnell geändert werden.
Die Gesellschafter der gematik will man erst gar nicht beteiligen. Wir wurden lediglich informiert, dass die Entscheidung steht und wir keinen Einfluss mehr darauf nehmen können. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz soll rausgehalten werden. Ebenso die Patientenvertretungen. Auch hier also wieder: Wenger Mitsprache für mehr Tempo. So einen Paradigmenwechsel kann man nicht einfach verordnen. Schon gar nicht in dieser Art und Weise.
Die ePA steht und fällt mit dem Vertrauen, das die Menschen in sie haben. Das steht hier auf dem Spiel. So eine Änderung muss gesellschaftlich diskutiert werden. Zum Vorgehen des BMG passt, dass das parlamentarische Verfahren noch nicht abgeschlossen sein wird, wenn die gematik die neuen Spezifikationen vorlegen wird. Das ist eine Farce, weil damit der Anschein erweckt werden soll, dass die Fristen eingehalten werden könnten. Der plötzliche Paradigmenwechsel zeigt, dass die ePA noch nicht reif für die flächendeckende Versorgung ist. Trotzdem hat irgendein Missverständnis im BMG zu der absurden Idee geführt, dass bis Ende 2025 80 Prozent der Versicherten eine ePA nutzen werden. Schwer zu sagen, was sich das BMG dabei gedacht hat. Sicher ist, dass diese Art der Digitalisierung nicht sehr nachhaltig ist, wie die bisherige Geschichte der TI zeigt.
Die KZBV hat sich hierzu schon oft zu Wort gemeldet und die fehlende Versorgungsperspektive kritisiert. Ohne klare Nutzen-Ziele für die ePA kommen wir nicht weiter. Deshalb fordere ich das BMG heute noch einmal auf, den Fokus zu ändern. Wir brauchen eine nutzerfreundliche ePA sowie mehr Information und Aufklärung. Außerdem darf die Verwaltung der ePA nicht an die Zahnarztpraxen delegiert werden. Patienten, die es nicht schaffen, die Daten in ihrer ePA zu pflegen, müssen in erster Linie von ihren Krankenkassen Unterstützung erhalten. Zahnarztpraxen können gerne helfen, aber dann muss diese Leistung freiwillig sein und vergütet werden. Der Vorstand hat hierzu einen Antrag vorgelegt.
Apropos Freiwilligkeit: Wir wollen, dass die ePA auch für Versicherte freiwillig bleibt. Für Anwendungen, die in die ePA integriert werden, muss es deshalb Alternativen geben. Ansonsten wird die Freiwilligkeit aufgeweicht. Auch hierzu liegt Ihnen ein Antrag des Vorstands vor. Lassen Sie uns klar benennen, wo es hakt. Noch ist es nicht zu spät. Aber im BMG fehlt das Verständnis für die tatsächlichen Probleme. Die kann man nicht mit Fristen und Sanktionen lösen. Es braucht zuverlässige und funktionierende digitale Tools, die man gerne nutzt, weil sie Nutzen stiften – für Patienten und Zahnärzte.
Ich gebe Ihnen dazu ein anderes Beispiel aus meinem Praxisalltag. Seit rund einem Jahr stellen wir E-Rezepte aus. Viele andere Zahnarztpraxen tun das auch, was zeigt, dass es sich auch in der TI lohnen kann, mutig zu sein. An dieser Stelle möchte ich den vielen Praxisteams für ihr Engagement danken. Indem Sie sich frühzeitig gekümmert haben, haben Sie dazu beigetragen, dass die Anwendung heute reif für die regelmäßige Nutzung ist. Ich habe aber auch Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen, die bislang noch gezögert haben.
Denn neue Anwendungen haben bislang meist die Vorbehalte verstärkt, die man ohnehin gegenüber der TI hatte. Das E-Rezept könnte hier für viele eine neue Erfahrung und somit die Chance sein, Vertrauen in die TI aufzubauen. Aufseiten der Patienten, weil hier der konkrete Nutzen der Digitalisierung erfahrbar wird. Und aufseiten der Zahnärzte, weil man sich angesichts des Verordnungsvolumens langsam ran tasten kann. Doch damit ist es bald vorbei. Anstatt die Zahnärzte weiter in ihrem eigenen Tempo Erfahrungen mit dem E-Rezept sammeln zu lassen, soll das E-Rezept nun schlagartig zum Jahreswechsel eingeführt werden. Und wer nicht mitzieht, wird mit Sanktionen bestraft.
Das ist die Lösung des BMG: Frist setzen, Honorar kürzen. Wer so handelt, weiß es nicht besser. Oder handelt so, weil er hofft, schneller einen politischen Erfolg feiern zu können. Das BMG ignoriert damit allerdings, dass es bislang vor allem die Beinfreiheit war, die dem E-Rezept zum Durchbruch in den Zahnarztpraxen verholfen hat. Alle, die bislang das E-Rezept nutzen, tun das freiwillig. Viele haben bereits im Frühjahr 2022 damit begonnen. Die Zahlen gehen seitdem kontinuierlich nach oben. Der neue Einlöseweg mit der Gesundheitskarte hat sich als Beschleuniger erwiesen. In Summe liegen wir mittlerweile bei über 6,5 Mio. erfolgreich eingelösten E-Rezepten.
Die Sanktion ist vor diesem Hintergrund unnötig. Deshalb appelliere ich heute noch einmal an den Minister: Stoppen Sie diese Sanktion! Es geht beim E-Rezept in die richtige Richtung und das BMG wäre besser beraten, eine wirksame Politik für das E-Rezept zu machen, zum Beispiel durch Information und Aufklärung. Stattdessen macht es mit dem Big Bang Start die Spielräume ausgerechnet für diejenigen enger, die sich bislang vergleichsweise intensiv für das E-Rezept engagiert haben.
Das Verhalten des BMG kann man nur noch mit einem grundsätzlichen Misstrauen in die Selbstverwaltung erklären. Man muss nur weiter durch das Digitalisierungsgesetz blättern, um weitere Anhaltspunkte dafür zu finden. So soll die KZBV künftig über den Anteil der Zahnärzte berichten, deren Vergütung gekürzt wurde, weil sie die Technik für die ePA nicht vorhalten. Und auch in Sachen E-Rezept sollen neue Informations- und Berichtspflichten der KZBV entstehen. Das lehnen wir ab. Um das deutlich zu sagen: Herr Minister, wir benötigen keine zusätzliche Prüf- und Kontrollstrukturen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorstand hat Ihnen hierzu einen Antrag vorgelegt, um das zu bekräftigen. Ein weiterer Angriff auf die Selbstverwaltung versteckt sich in einem Satz zur Finanzierung der TI, der neu in den Regierungsentwurf aufgenommen worden ist. Über das Zustandekommen der neuen monatlichen TI-Pauschale hatte ich in der Sommer-VV ausführlich berichtet. Kurz darauf und viel zu spät hat das BMG die Vereinbarung vorgelegt. Zu niedrige Pauschalen und maßlos überzogene Sanktionen war unsere Diagnose.
Daran ändert auch die letzte Woche eingegangene Änderung nichts, die zwar Details klarstellt und den großen Praxen nützt, aber die eigentlichen Probleme ganz und gar nicht löst. Aber das BMG hat scheinbar immer noch nicht genug und will die TI-Finanzierung weiter schleifen. Damit das ohne Reibung gelingt, soll das BMG die TI-Finanzierung künftig per Rechtsverordnung festlegen können. Bislang wurden die Inhalte der Vereinbarung mittels Verwaltungsakt vorgenommen. Gegen den kann man klagen. Gegen eine Rechtsverordnung gibt es keinen Rechtsschutz. Was das BMG künftig festlegt, ersetzt einen Vertragsabschluss. Die Folge ist eine bundesmantelvertragliche Regelung mit direkter Wirkung für die Vertragszahnärzteschaft.
Das ist ein tiefer Eingriff in die Selbstverwaltungsautonomie. Die Einflussmöglichkeiten der KZBV, der Bundesmantelvertragspartner sollen auf ein Minimum begrenzt werden. In aller Deutlichkeit: Das BMG will an der Selbstverwaltung vorbei die TI-Finanzierung festlegen. Das lehnen wir ab. Herr Minister, stoppen Sie diesen Unsinn. Und meine Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, unterstützen Sie den Antrag des Vorstands dazu, damit wir ein klares Signal nach Berlin senden können. Es muss Schluss sein mit dieser Bevormundung, die immer nur zum Nachteil der Zahnarztpraxen wirkt.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne nochmal an die ursprüngliche Idee des BMG: Mit der monatlichen TI-Pauschale sollten wirtschaftliche Anreize gesetzt werden. Die suchen Zahnarztpraxen aber vergeblich, was nicht nur den ganz Aufgeweckten von vornherein klar war. Bescheidener tritt das BMG deshalb nicht auf. Die bleiben einfach bei ihrer Geschichte, setzen künftig die Pauschale selbst fest und schon ist das Problem für die gelöst. Das ist der Vorteil, wenn man hier in Bonn weit weg vom Versorgungsalltag im Büro sitzt: Man spart den eigenen Ideen den Abgleich mit der Wirklichkeit.
Das Festlegen der Pauschalen mittels Rechtsverordnung macht es für das BMG einfacher, sich dumm zu stellen und den tatsächlichen Ablauf der Dinge zu ignorieren. Wer das nicht tut, sieht, dass eingetreten ist, was wir vorhergesagt haben. Die Industrie hat ihre Preise nicht gesenkt. Die neue TI-Pauschale wurde stattdessen genutzt, um die Zahlungsmodalitäten umzustellen und den Praxen TI-as-a-Service-Angebote schmackhaft zu machen. Allein das hat bei einigen Herstellern bereits zu höheren Preisen geführt.
Viele Zahnarztpraxen sehen sich nun mit der Situation konfrontiert, dass die TI-Zugangsdienste die monatliche TI-Pauschale weitestgehend aufbrauchen. Die Kosten für die Anwendungen in der Praxissoftware bleiben ungedeckt. Ich möchte hier nicht zu deutlich mit dem Finger auf die PVS-Hersteller zeigen, die haben auch ihre Herausforderungen. Es ist das Vorgehen des BMG, das so etwas möglich macht. Die Zahnarztpraxen zwingt man per Sanktion, die Software zu kaufen. Normalerweise muss man in der Partei des Ministers keinem auf Pferd helfen, wenn es gegen die Märkte geht. Hier aber besorgt das BMG das Geschäft der PVS-Hersteller.
In diesem BMG gibt es offensichtlich keine Stimme mehr, die sich für die Belange der Selbstverwaltung einsetzt oder ihr den Rücken stärkt. Der Minister tut gar nicht erst so, als ob ihm etwas an den Akteuren der Selbstverwaltung liegen würde – er will Tempo, um jeden Preis. Das zeigt auch sein Plan, die Macht der gematik deutlich auszubauen. Das Vorhaben hat es nicht in das Digitalisierungsgesetz geschafft. Die Umstrukturierung soll in einem eigenen Gesetz geregelt werden.
Die Inhalte soll die Beratungsfirma Roland Berger liefern. Bis zu 2 Mio. Euro lässt sich das BMG das kosten. Für die Information und Aufklärung in Sachen ePA und E-Rezept findet das BMG kein Geld im Haushalt, hier legt man sich weniger finanzielle Zwänge an. Für das Geld gibt es einen Workshop mit den Gesellschaftern der gematik und weiteren Stakeholdern aus dem Gesundheitswesen. Selbstverständlich ist das Interesse an der Meinung der Selbstverwaltung nur vorgeschoben. Das macht man, um nachher sagen zu können, es wurden alle Stimmen gehört.
In Wirklichkeit stört die Vielfalt auch hier und so hat die Beratungsfirma direkt angezeigt, dass der Umbau der gematik nicht als partizipativer Prozess gedacht ist. Damit ist der Ton gesetzt und der Weg vorgezeichnet. Die Macht der gematik wird ausgebaut, die Selbstverwaltung weiter zurückgedrängt. Scheinbar sind die Akteure der Selbstverwaltung nun auch noch dafür verantwortlich, dass es bei der TI immer noch ruckelt. Doch hier reicht ein Blick in den TI-Status, um dies als Umkehrung der Tatsachen zu entlarven.
Ich lese nur mal einige Überschriften aus dem TI-Status den letzten Wochen vor:
- Störung an einer für die ePA relevanten technischen Komponente.
- Fehler beim Einlösen von E-Rezepten in einer Apothekensoftware.
- Verbindungsprobleme zur TI nach Fritzbox-Update.
- Einschränkung bei der Nutzung eines KIM-Dienstes.
Wir erinnern uns auch an die Verbindungsprobleme vieler Praxen Anfang September, nachdem sie ein sicherheitsrelevantes Update für ihren Konnektor eingespielt hatten. Das sind alles Themen der Überwachung und es ist die Aufgabe der gematik, gemeinsam mit der Industrie Folgeschäden für die TI frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Warum das künftig besser ohne das Korrektiv der Selbstverwaltung gelingen soll, ist eine spannende Frage. Die Probleme der TI sind ja nicht die Folge eines Fehlverhaltens der Selbstverwaltung, wie der TI-Status zeigt, sondern der Endpunkt einer Digitalisierungspolitik, die auf Fristen und Sanktionen setzt, anstatt den Fokus auf Anwender, Funktion und Qualität zu legen. Aber um Verantwortung geht es dem BMG vermutlich auch gar nicht. Der Umbau der gematik und das Digitalisierungsgesetz zielen darauf ab, für die digitale Transformation des Gesundheitswesens freie Hand zu haben.
Zuverlässig funktionierende Anwendungen und Dienste brauchen Zeit und können daher nicht sofort für Fortschritte in der Digitalisierung sorgen. Dem BMG geht es aber um schnelle Ergebnisse und da stört jeder, der die technischen Hürden beklagt oder einen stabilen Betrieb einfordert. Das BMG reklamiert für sein Vorgehen gerne den Blick ins Ausland. Dort sei man schon viel weiter mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens. An dem Befund mag was dran sein, aber zu glauben, dass es besser wird, wenn ausgerechnet die Anwender ausgeschlossen werden, grenzt an magisches Denken. Nein, besser wird es nur dann, wenn endlich eine überzeugende Antwort auf die Frage gefunden wird, wie eine gute Digitalisierungspolitik aussieht, die Fortschritte in der Digitalisierung schafft, ohne die Praxen zu überfordern.
Die vage Idee, dass nur alles irgendwie schneller gehen muss, reicht nicht. Mehr fällt dem BMG aber nicht ein. Es steuert damit auf den vorläufigen Tiefpunkt seiner Digitalisierungspolitik zu. Angesichts dieser Diagnose könnte eine gewisse Ernüchterung aufkommen, zumal ich Ihnen versichern kann, dass wir unsere Haltung immer wieder deutlich gemacht haben. Diesem Gefühl dürfen wir aber nicht nachgeben. Wir müssen unsere Antworten, allen voran die Konzentration auf Nutzen-Ziele, Information und Aufklärung, weiter einbringen. Das ist wichtig, denn die TI dringt immer tiefer ein in die Praxis und den Versorgungsalltag, wie ein kurzer Blick in die Produktroadmap der gematik zeigt.
ePA und E-Rezept werden, wie bereits gesagt, ständig weiterentwickelt. Und bei KIM kommt aktuell die neue Version 1.5 ins Feld und löst vor allem Größenlimitationen beim Datenversand auf. Die kartenbasierten Anwendungen, also NFDM und eMP, werden bis 2025 in die ePA überführt. Das ist grundsätzlich ein guter Schritt, weil es die Komplexität des Gesamtsystems reduziert, der Wegfall der Offline-Option ist aber zu kritisieren und für Patienten, welche keine ePA nutzen, müssen die Anwendungen auch separat nutzbar bleiben.
Mit dem TI-Messenger soll noch in diesem Jahr ein Kurznachrichtendienst für den medizinischen Alltag als neue TI-Anwendung eingeführt werden. Die Nutzung für Praxen ist zunächst freiwillig und die KZBV wird sich dafür einsetzen, dass dies so bleibt und vor allem keine unrealistische Erwartungshaltung an die Zahnarztpraxen entsteht. Das ist wichtig, weil die Zeitplanung der gematik auch diesmal nicht von der Wirklichkeit, sondern von Gesetzesvorgaben geprägt ist. Damit wird noch einmal deutlich, auf was ich heute immer wieder hingewiesen haben: Ohne Selbstverwaltung geht es nicht oder es geht schief.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam ein Signal senden, dass man nicht gegen die Selbstverwaltung wetten sollte.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Im Folgenden berichte ich über ein paar zentrale Themen der vergangenen Monate aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Auch hier steht natürlich unsere Kampagne „Zähne zeigen“ an erster Stelle. Martin Hendges hat Sie ja in seinem Bericht bereits über die neuesten Entwicklungen und ÖA-Bausteine diesbezüglich informiert, so dass ich hier nicht noch einmal im Detail darauf eingehe.
Ende September haben wir ja gemeinsam mit der DG Paro wie Sie wissen unseren Evaluationsbericht „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung“ vorgelegt. Im Rahmen der Veröffentlichung fand am 29. September in den Berliner Räumen der KZBV ein Gespräch mit ausgewählten Pressevertretern statt, um den Bericht vorzustellen und zu erläutern. Als Gesprächspartner für die anwesende Presse waren Martin Hendges und Prof. Dr. Peter Eickholz von der DG Paro vor Ort. Das Pressegespräch verlief ausgesprochen erfolgreich, wie man auch am Pressespiegel ablesen konnte, unter anderem berichtete der Tagesspiegel in einem großen Artikel. Begleitet wurde die Veröffentlichung des PAR-Berichtes zudem mit einer Pressemitteilung, die ebenfalls zahlreich vor allem von der Fachpresse aufgegriffen wurde.
Zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände hat die KZBV zudem Mitte Oktober im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz zur aktuellen Situation der Heilberufe noch einmal eindringlich auf den dringenden politischen Handlungsbedarf in Sachen GKV-FinStG aufmerksam gemacht. Martin Hendges stellte als Podiumsteilnehmer für die KZBV vor einem gut besuchten Haus der Bundespressekonferenz die fatalen Auswirkungen der aktuellen Politik vor allem auf die PAR-Versorgung heraus und wies noch einmal unmissverständlich darauf hin, dass es im Sinne einer präventionsorientierten Patientenversorgung zwingend erforderlich ist, die Leistungen der Parodontitistherapie von der Budgetierung noch in diesem Jahr auszunehmen. In diesem Zusammenhang wurden den anwesenden Medienvertretern auch noch einmal die wichtigsten Eckdaten unseres PAR-Evaluationsberichtes präsentiert. Begleitet wurde die Veranstaltung zudem von einer gemeinsamen Pressemitteilung, die von zahlreichen Medien aufgegriffen und zitiert wurde.
Meine Damen und Herren, ein paar Worte möchte ich jetzt noch dem Stand der konstant fortlaufenden Neustrukturierung unserer KZBV-Website widmen: Die Überschriftenstruktur auf der Startseite war bislang leider nicht immer durchgehend logisch. Eine entsprechende Anpassung der Überschriften wurde daher inzwischen vorgenommen. Screenreadernutzer erhielten zudem bisher keine Information über den eventuell fehlenden Haken bei der Datenschutzabfrage in bestimmten Formularen. Auch hier haben wir die entsprechende technische Überarbeitung vorgenommen. Darüber hinaus wurden alle redaktionellen Optimierungen, die im Rahmen des von uns durchgeführten Usability-Tests ermittelt wurden, umgesetzt.
Zahnärztliche Mitteilung (zm)
Aktuell läuft die Optimierung der Produktionsprozesse der zm weiter. Wie berichtet lief der Verlagswechsel zur MedTriX-Group, der einherging mit einem vollständigen Wechsel der Redaktionssysteme, grundsätzlich sehr gut, aber nicht gänzlich ohne Probleme ab. Im Produktionsprozess traten in der ersten Jahreshälfte eine Reihe von Schwierigkeiten auf, die vor allem zm-Online betrafen. Dies zeigte sich sowohl im Frontend, also dem für die Userinnen und User sichtbaren Bereich, als auch im Backend, der Arbeitsoberfläche der Redakteurinnen und Redakteure.
Zusammen mit MedTriX und Schaffrath Digital Medien, dem beauftragten Online-Dienstleister, wurden die vergangenen Monate genutzt, um weitere Fehler zu beseitigen und die Arbeitsoberfläche nutzerfreundlicher zu machen, um effizienter arbeiten zu können.
Parallel läuft derzeit die Weiterentwicklung der Marke zm und ihrer Produkte. Dabei wollen wir zusammen mit unserem Verlagspartner attraktive Angebote insbesondere für jüngere Zahnärztinnen und Zahnärzte entwickeln. Das können audiovisuelle Angebote wie zum Beispiel Podcasts oder auch der Ausbau der immer beliebter werdenden Newsletter sein. Angedacht ist, weitere, den Teilzielgruppen gerechte Angebote im Portfolio zu haben, um die Marke zm auszubauen.
Die zm berichtete in den vergangenen Monaten immer wieder über die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Zahnärzteschaft, die sich gegen die aktuelle Gesundheitsgesetzgebung richteten. Gegenstand der Berichterstattung waren dabei Aktionen auf Landes- und Bundesebene – wie die vom vmf organisierte Protestkundgebung vor dem Brandenburger Tor Anfang September – oder die Paro-Kampagne der KZBV „Zähne zeigen“ für eine präventionsorientierte Patientenversorgung.
Bild: © KZBV/Knoff