Rede Dr. Karl-Georg Pochhammer
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich möchte Sie zu unserer Vertreterversammlung begrüßen. Herzlich willkommen in Frankfurt, dem Geburtsort von Johan Wolfgang von Goethe.
Telematik
Das Leben des Dichterfürsten ist sehr gut erforscht. Daher wissen wir, dass er seit seinem 17. Lebensjahr mit Zahnerkrankungen zu kämpfen hatte. Der Zahnverlust setzte mit 60 ein und mit ca. 80 Jahren soll Goethe aus kosmetischen Gründen eine Prothese getragen haben. Im Alter klagte er, dass es seine größte Prüfung sei, junge Zahnreihen neidlos anzusehen. Ich erzähle Ihnen diese kleine Episode, weil sie für unsere aktuelle Situation nicht uninteressant ist. Kommt hier doch eine Wertschätzung der Mundgesundheit zum Ausdruck, wie man sie im Handeln des Gesundheitsministers und seines Ministeriums schon lange nicht mehr findet.
An die Stelle von Anerkennung und Respekt für unseren Berufsstand ist das Misstrauen getreten. Ein Erfolgsfaktor wie die Selbstverwaltung wird offen in Frage gestellt. Die neue Zukunftsformel für das Gesundheitswesen lautet „KI in all policies“. Nach „Doppelwumms“ und „Deutschlandtempo“ der nächste semantische Coup der Ampelkoalition. „Wir implementieren das jetzt in jedes Gesetz hinein“, hat der Minister auf der Gesundheitsmesse DMEA gedroht.
Wer ihm dort zugehört hat, der hat verstanden, der Mann meint es ernst. Ob Alzheimer, Demenz, Krebs, Patientenkommunikation, Bürokratie oder Finanzierung – in der Friedrichstraße gilt das Motto: Mit KI wird alles gut. Nun bezweifelt niemand, dass es klug ist, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Die Einsatzmöglichkeiten, etwa in Dokumentation und Datenanalyse, liegen auf der Hand oder werden, wie zum Beispiel in der Röntgenbefundung, bereits unter Beweis gestellt. Auch die Praxen wissen, wer in Zukunft medizinisch und ethisch korrekt arbeitet möchte, der wird den Umgang mit der KI lernen müssen. Aber sie glauben nicht, dass wir in der Sache auf einem guten Weg sind. Denn es gibt es einen großen Widerspruch zwischen dem, was der Gesundheitsminister verspricht und dem, was die Praxen täglich erleben.
„KI in all policies“ steht beispielhaft für die vielen Pappmaché-Sätze aus dem BMG, die sofort in sich zusammenfallen, wenn sie auf die Versorgungsrealität treffen. Die Pläne von Karl Lauterbach zur Nutzung der KI laufen dem technisch Erlebbaren in den Praxen meilenweit voraus. Während der Minister künftige iPhone-Momente der Medizin beschreibt, knirscht es in der Telematikinfrastruktur. Allein in diesem Jahr zählt der TI-Status der gematik bereits über 30 Störungen mit stunden-, teilweise wochenlangen Beeinträchtigungen für Praxen. Ein typischer Morgen sah im Frühjahr in vielen Praxen wie folgt aus: Kurz nach 8 Uhr, also dann, wenn es besonders hektisch ist, kommt es zu Störungen. E-Rezepte ausstellen, geht nicht, Arbeitsunfähigkeiten elektronisch ausstellen, geht auch nicht. Also erstmal rausfinden, woran es liegt, wieder Papier bedrucken und die Patienten beruhigen.
Ich habe extra nochmal nachgeschaut: Diese Störung konnte erst nach sieben Wochen behoben werden, obwohl die gematik zwischenzeitlich mehr als einmal erklärt hatte, dass die Technik wieder laufe. Nun aber wirklich. Das klingt erstmal lustig, wer aber das Pech hatte, einen HBA von Medisign zu nutzen, kam aus dem Fluchen gar nicht mehr heraus. Mehr als tapfer zu informieren, konnte die gematik auch nicht tun. Weil Medisign kein direkter beauftragter Dienstleister ist, waren ihr die Hände gebunden. Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit. Wir fordern das BMG daher auf, der gematik die Gesamtverantwortung für den TI-Betrieb zu übertragen und sie zum zentralen Ansprechpartner für die Praxen bei TI-Problemen zu machen.
Der Referentenentwurf für das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz greift das auf und verspricht Maßnahmen zur Erhöhung der Stabilität der TI. Hierzu bekommt die gematik verschiedene Instrumente in die Hand, zum Beispiel kann sie Anbietern Fristen setzen, Verstöße mit Bußgeldern ahnden und TI-Störungen ggf. selbst beheben. Das ist ein richtiger Ansatz. Die gematik muss für einen störungsfreien TI-Betrieb sorgen und den Praxen und Apotheken als zentraler Servicepartner zur Verfügung stehen. Letzteres ist im Referentenentwurf allerdings nur auf einige Anwendungen begrenzt. Das geht uns nicht weit genug. Wir fordern einen umfassenden Service der gematik, der sich auf den Betrieb insgesamt erstreckt, damit die Praxen einen Ansprechpartner haben und nicht immer rumtelefonieren müssen, wenn es in der TI mal wieder hakt.
Der Vorstand hat Ihnen dazu einen Antrag vorgelegt, den wir morgen diskutieren können. Das BMG darf und soll sich gerne Gedanken um die Zukunft der Gesundheitsversorgung machen. Das ist seine Aufgabe. Man sollte zwar meinen, dass „Health in all policies“ die bessere Zukunftsformel für einen Gesundheitsminister wäre, aber mit entlastenden Fortschritten in der Digitalisierung wären wir fürs Erste ja auch einverstanden. Leider wird die selbst ernannte Fortschrittskoalition ihrem Namen auch bei diesem Thema nicht gerecht. Stattdessen stolpert die TI im Deutschlandtempo vor sich hin, weshalb die Vorfreude auf die KI-Zukunft in den Praxen verhalten ist. Dabei ist es kein Zufall, dass sich der Minister in Zukunftsvisionen flüchtet.
Wer die Dinge im Hier und Jetzt nicht geregelt bekommt, der muss Versprechungen machen, um etwas Positives anbieten zu können. Wir sehen das auch bei der elektronischen Patientenakte. Die hat der Minister als Säule der KI-Datensatzanalyse beschrieben. Mit den Daten aus der ePA sowie medizinischen Registern und weiteren Quellen soll ein Datensatz für KI-Studien entstehen, der, ich zitiere, „in dieser Größe und an in diesem Anspruch (der) wahrscheinlich weltweit größte Medizindatensatz sein könnte“. Und dieser Datensatz könne dann „mit Verfahren des Confidential Computing untersucht werden“. Auch hier bezweifelt niemand, wie hilfreich eine funktionierende ePA sein kann. Aber ich frage mich schon, ob man die neue „ePA für alle“ angesichts der Fehlschläge in der Vergangenheit derart mit Erwartungen überladen sollte.
Ich halte es auch für keinen klugen Schachzug, die Nutzung der ePA beschleunigen zu wollen, indem man sie ständig wie ein großes Geschenk an die Pharmaindustrie beschreibt. Man kratzt sich verwundert am Kopf: Die ePA kommt seit Jahren nicht vom Fleck, aber der Minister verkauft sie, als könnte sie alle unsere Probleme lösen. Auch hier lohnt sich der Abgleich mit der Realität. Vielen Kollegen graut es nämlich vor dem Start der neuen ePA. Das liegt an fehlenden Mehrwerten für Praxen und Patienten. Zum Beispiel gibt es erstmal keine Volltextsuche und keinen elektronischen Medikationsprozess. Auch sind viele Fragen, etwa zu Befüllungspflichten und Zugriffsbefugnissen, noch nicht zur Ruhe gekommen.
Die KZBV stört sich zudem an der Datensammelei in der Praxissoftware und vor allem an der absurden Zeitplanung. Auch sind wir anscheinend die letzte Stimme, die das BMG daran erinnert, dass die neue ePA vielleicht für alle gedacht, aber immer noch für alle freiwillig ist. Im Referentenentwurf zum Digitalagentur-Gesetz wird wieder versucht, das auszuhebeln, indem die Bescheinigung und die Nachweise zu einer Arbeitsunfähigkeit durch ein elektronisches Äquivalent in der ePA abgelöst werden soll, und zwar ohne Alternative. Wir haben vor dem Hintergrund der vielen Kritikpunkte gegen die Verabschiedung des Dokumentenpakets gestimmt, das die Spezifikation der neuen ePA vorgibt. Das BMG zeigt sich aber – wie üblich – unbeeindruckt von der Kritik. Die neue ePA soll am 15. Januar 2025 in die Versorgung kommen. Komme, was wolle.
Nichts weist darauf hin, dass dieser Termin eingehalten werden kann. Nur wer schon länger nicht mehr vor die Tür gekommen ist oder den ganzen Tag von der KI träumt, kann ernsthaft glauben, dass das eine gute Idee ist. Die Standardantwort des BMG auf Kritik an dem Termin ist, dass man nicht warten könne, bis alles zu Ende entwickelt sei. Mag sein, aber zu Ende denken sollte man die Dinge schon. Die überhastete Einführung der neuen ePA zum 15. Januar 2025 ist ein großer Fehler. Testen, Feedback, verbessern, das wird alles nicht möglich sein. Das ist keine seriöse Digitalisierungspolitik, das ist Hasardeurtum. Es reicht auch nicht, wie das BMG es gerade mit dem aktuellen Referentenentwurf gemacht hat, Erprobungs- und Testphasen nur im Rahmen der gematik-Zulassungen verbindlich zu machen, zumal wir alle wissen, dass dem BMG im Zweifel die Frist immer wichtiger ist als die Qualität.
Nein, wir brauchen ein klares Commitment aller Beteiligten: Ohne erfolgreiche Tests kommt nichts in die Versorgung. Egal, wie die Frist lautet. Die überhastete Einführung der neuen ePA muss viel besser vorbereitet werden. Damit das gelingt, muss das BMG allerdings endlich mal aus seinen Fehlern lernen. KI tut im Übrigen genau das! Nicht der Termin, sondern die Qualität muss darüber entscheiden, wann TI-Anwendungen in die Versorgung kommen. Und was Qualität ist, das wird nicht im BMG festgelegt, sondern das entscheiden die Anwender. Das entscheiden die Zahnärzte, Ärzte, Apotheker und Versicherten.
Wir brauchen daher eine Testphase, in der alle Beteiligten ausreichend Zeit haben, mit der neuen ePA zu üben. Echtes Benutzerverhalten und ehrliches Feedback sind der Schlüssel. Man kann nach all den Fehlschlägen in der TI gar nicht glauben, dass man das immer wieder einfordern muss. Ob die neue ePA ein Erfolg wird, hängt nicht von den Blütenträumen im BMG, sondern davon ab, ob ihre Nutzung den Praxisalltag leichter macht. Voraussetzung dafür ist vor allem eine ausgereifte Praxissoftware. Und die wird es nur dann geben, wenn die ePA im realen Betrieb getestet wird und die Erkenntnisse der Testphase in die Praxisverwaltungssysteme einfließen.
Die Anwendungsreife der Praxissoftware muss im Vordergrund stehen. Sie muss der Maßstab dafür sein, wann die neue ePA flächendeckend eingeführt werden kann. Die Regelungen im Referentenentwurf zum Digitalagentur-Gesetz greifen das nur teilweise auf. Der Fokus auf die Anwenderfreundlichkeit in den Primärsystemen ist sinnvoll, das unterstützen wir, aber die muss in Testphasen erprobt und nicht in gematik-Laboren festgelegt werden. Die Zahnarztpraxen wissen am besten, worauf es ankommt. Deshalb schlagen wir vor, die aufgebauten TI-Modellregionen zu nutzen und die „ePA für alle“ dort intensiv über einen längeren Zeitraum auf Herz und Nieren zu prüfen.
Ansonsten stehen wir im Januar wieder genauso da wie im Juli 2021 und sehen unausgereifte Systeme, schlechte Bedienung und uninformierte Patienten. Bis heute hat sich die ePA von diesem Fehlstart nicht erholt. Es ist daher nicht zu verstehen, warum das BMG die Bedenken der Selbstverwaltung erneut in den Wind schlägt und drauf und dran ist, die Fehler von damals zu wiederholen. Das droht im Übrigen auch bei der Information der Versicherten. Da hat das BMG 2021 die Hände ruhig in den Schoß gelegt. Deshalb nochmal deutlich: Das BMG muss die Bevölkerung über die neue ePA aufklären. Das ist keine Aufgabe für Zahnarztpraxen. Es gebe noch so viel zur neuen ePA zu sagen. Der Vorstand hat Ihnen einen Antrag zum Neustart vorgelegt. Das bietet uns die Gelegenheit, nochmal intensiv zu diskutieren.
Bei einem anderen Thema ist die Messe bereits gesungen. Das E-Rezept ist seit dem Jahreswechsel verpflichtend. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden rund 2 Millionen zahnärztliche E-Rezepte ausgestellt. Diese Zahl zeigt: Das E-Rezept ist in den Zahnarztpraxen angekommen. Die Informations- und Berichtspflichten, die uns das BMG auferlegt hat, sind vollkommen unnötig. Wir setzen uns deshalb aktuell beim BMG dafür ein, dass wir diese so schlank wie möglich halten können. Auch insgesamt stimmen die Zahlen. Im Mai wurde die Marke von 200 Millionen eingelösten E-Rezepten überschritten. Aber wie das so ist in der TI, der Weg zur Digitalisierung ist steinig, ohne Reibungen geht es einfach nicht.
Die Medisign-Thematik hatte ich schon genannt, zudem waren immer wieder das VSDM und die sektoralen Identity Provider der Krankenkassen gestört. Vor allem das Medisign-Thema ärgert uns. So oft hatten wir darauf hingewiesen, dass man das E-Rezept stufenweise einführen sollte, um die Last langsam zu erhöhen und zu schauen, wie die Systeme damit umgehen. In der Friedrichstraße herrschte hingegen Cannabis-Legalisierungs-Stimmung: Die Praxen und Apotheken sollten sich lockermachen, die Systeme könnten schon mit der Last umgehen. Ich will nicht rechthaberisch klingen: Aber hätte man mal auf uns gehört, denn das Medisign-System hatte mit der Last zu kämpfen.
Von Problemen will man im BMG aber nichts wissen. Man habe keine Erkenntnisse über einen dauerhaften Mehraufwand, kann man der Antwort auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundesfraktion zum E-Rezept entnehmen. So sieht Problembearbeitung aus, wenn man es sich mit dem Rücken zur Welt gemütlich gemacht hat. Alles ist in bester Ordnung. Man darf nur nicht so genau hinschauen. Ein übersteigertes Selbstvertrauen hat das BMG auch bei der Einführung des Card-Link-Verfahrens gezeigt. Damit können Versicherte ihre E-Rezepte über Apps von Drittanbietern einlösen. Gegen das Feature ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Der Ansatz ist gut. Was uns aber stört, ist das abgesenkte Sicherheitsniveau bei dieser Lösung. Denn die Apps der Anbieter brauchen keine gematik-Zulassung.
Seit Jahren tun wir alles, um die TI so sicher wie möglich zu machen und hier sollen Anbieter nun mehr oder weniger unkontrollierte Apps auf den Markt bringen können. Mit der Absenkung des Sicherheitsniveaus geht insbesondere eine Verlagerung der Haftungsrisiken einher – mit voller Absicht des BMG. Die Verantwortung für die Nutzung wird einfach auf die Apotheken und Versicherten geschoben, ohne dass diese bewerten könnten, ob die Apps tatsächlich sicher sind.
Der Schutz von Patientendaten und die klare Verortung von Haftungsrisiken bei den Anbietern der Systeme ist mit uns nicht verhandelbar. Patienten müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten sicher sind und die medizinischen Einrichtungen, dass sie bei bestimmungsgemäßer Nutzung nicht haftbar gemacht werden können, wenn die gesetzliche vorgegebene TI-Sicherheitsarchitektur keinen ausreichenden Schutz bietet.
Der Vorstand hat Ihnen hierzu einen Antrag vorgelegt, der das BMG auffordert, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der das Haftungsrisiko klar definiert. Es muss gelten: Wer die Produkte und Dienste der TI bestimmungsgemäß nutzt, der darf kein Risiko tragen. Die KZBV hat aus den genannten Gründen gegen das Card-Link-Verfahren gestimmt. Auch alle anderen Gesellschafter haben dagegen votiert. Nur das BMG hält das Card-Link-Verfahren in dieser Ausprägung für eine gute Idee und hat den Beschluss mit seinem Stimmenanteil im Alleingang durchgeboxt. Das ist ein bis dato einmaliger Vorgang in der Gesellschafterversammlung, der zeigt, dass die Selbstverwaltung mehr und mehr in die Zuschauerrolle gedrängt wird.
Dazu passt, was im Referentenentwurf zum Digitalagentur-Gesetz steht, den wir aktuell kommentieren. Künftig soll die gematik „Digitalagentur Gesundheit“ heißen, was nicht gerade griffiger klingt, aber gut. Der Name ist nicht das Problem, bemerkenswert ist die geplante Ausweitung der Befugnisse. So soll die gematik selbst am Markt auftreten und Komponenten und Dienste in eigener Verantwortung entwickeln können. Auch soll sie für bestimmte zentrale Produkte Dienstleister auswählen und steuern können. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass das die Komplexität im Markt reduziert. Aber den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, ist das auch die Rampe für eine digitale Staatsmedizin, denn die Digitalagentur hängt am Tropf des BMG und damit entscheidet der Staat darüber, was der Digitalisierung dient und was nicht.
Der Arm der gematik soll künftig sogar bis in die Verhandlungen der Selbstverwaltung zu den Bundesmantelverträgen reichen. Künftige Regelungen zum E-Rezept sollen im Benehmen mit der gematik getroffen werden, damit diese, ich zitiere, „gebündelt die Interessen der Leistungserbringer, die die hier genannten verordnungsfähigen Leistungen abgeben, wahrnehmen (…) kann“.
Lieber Herr Minister, wir vertreten bereits die Interessen unsere Mitglieder. Das letzte, was wir dazu benötigen, ist die gematik – weder unter dem alten noch dem neuen Namen. Wenn man den Referentenentwurf so liest, verwundert es beinahe, dass die Organisationen der Selbstverwaltung Teil der gematik bleiben. Wie das im Detail aussieht, wissen wir aktuell aber auch noch nicht. Zur angekündigten Umstrukturierung schweigt der Entwurf.
Das übergeordnete Ziel tritt dagegen offen zu Tage. Der Minister hatte das auf der DMEA bereits klar zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere noch einmal: „Wir werden ein Gesetz zur Digitalagentur machen, wo wir die gematik nochmal deutlich aufbohren bezüglich ihren Rechten und ihren Zugriffsmöglichkeiten und einer Beschleunigung der Verfahren.“ Und weiter: „Die Gesamtstrategie ist KI in all Policies, um Deutschland zu einem Vorreiter in der Digitalmedizin und der Forschung zu machen (…).“ Das sind starke Worte für ein Ministerium, das seit Jahren nicht in der Lage ist, die Telematikinfrastruktur zu stabilisieren. So viel Größenwahn stört dann auch den Realitätsabgleich.
Alle, die Kritik am Zustand der TI und der Digitalisierungsstrategie äußern, die genervten Zahnärzte, Ärzte und Apotheken werden so wenig gefragt wie die Beitragszahler. Das politische Visier ist eingerastet: Digitale staatliche Medizin mit der gematik als Erfüllungsgehilfen und der KI als Taktgeber. Statt mit der Selbstverwaltung darüber zu reden, wie es ist und wie man gemeinsam die Digitalisierung in die Spur bekommt, predigt der Minister, wie wunderbar alles sein wird, wenn die gematik erst mal freie Hand hat und die KI den Rest regelt. Sonntagsreden helfen uns aber nicht weiter. Bevor wir euphorisch „KI in all policies“ rufen, brauchen wir einen viel stärkeren Fokus auf das, was Praxen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse wirklich brauchen.
Drei zentrale Punkte habe ich genannt: Erstens eine stabile Telematikinfrastruktur. Das ist die Basis, die muss laufen und resilienter gegenüber Störungen werden. Dass die gematik hier nun mehr Verantwortung übernehmen soll, ist gut. Jetzt muss sie zeigen, dass mehr Befugnisse auch zu mehr Stabilität und Funktionalität führen. Zweitens brauchen wir ein Commitment, dass jeder neue Dienst, jede neue Anwendung in Praxistests nachweist, dass er und sie funktioniert, den Praxisalltag erleichtert und der Versorgung hilft. Die ePA ist hierbei der nächste Maßstab. Und drittens muss die Rolle der Selbstverwaltung stärker, nicht schwächer werden. Die Zahnärzte und anderen Gesundheitsberufe wissen am besten, welche digitalen Prozesse die Versorgung verbessern und die Arbeit in den Praxen erleichtern. Der Einfluss muss in der neuen Digitalagentur und in den Testphasen geltend gemacht werden können. Die Digitalisierungspolitik des BMG benötigt endlich mehr Originalton aus der Versorgungsrealität. Es geht nur mit, nicht gegen die Selbstverwaltung. Und es geht nur Schritt für Schritt, ansonsten ist „KI in all policies“ die nächste Diskursblase, die zerplatzt, wenn es an die praktische Umsetzung geht.
PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Folgenden berichte ich über einige zentrale Themenschwerpunkte der vergangenen Monate aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Kampagne „Zähne zeigen“
Auch hier steht natürlich unsere Kampagne „Zähne zeigen“ an erster Stelle. Die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit war gemeinsam mit der Agentur Medium federführend bei der Neugestaltung der Kampagnen-Website zaehnezeigen.info sowie bei der Umsetzung der Out-of-Home-Maßnahmen, also der Plakatierung und den Onlinebannern. Mein Kollege Martin Hendges wird Sie morgen in einem gesonderten Tagesordnungspunkt dann genau über die aktuelle Ausrichtung, Inhalte und Weiterführung der Kampagne informieren.
Pressekonferenz in der BPK
Bereits im Oktober des letzten Jahres waren wir mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesvereinigung der Apothekenverbände zu Gast in der Bundespressekonferenz und warnten gemeinsam vor einer schon bald drohenden Verschlechterung der Versorgung. Im April haben wir uns in diesem Rahmen erneut klar positioniert und unsere berechtigten Forderungen hinsichtlich einer Kurskorrektur dieser versorgungsfeindlichen Gesundheitspolitik öffentlichkeitswirksam kommuniziert. Diesmal mit dabei war die Deutsche Krankengesellschaft. Also ein Termin, bei dem die vier tragenden Säulen der Gesundheitsversorgung gemeinsam ihre Kritikpunkte an der Gesundheitspolitik darstellten. Martin Hendges saß für die KZBV auf dem Podium und machte nachdrücklich auf den dringenden politischen Handlungsbedarf mit Fokus auf den Bürokratieabbau, die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sowie die Zunahme von iMVZ aufmerksam. Die Pressekonferenz wurde über einen Livestream u. a. bei phoenix übertragen und zog eine beträchtliche mediale Aufmerksamkeit sowohl in der Publikums- als auch in der Fachpresse nach sich.
Stimmungsbarometer
Um mit repräsentativen Daten Transparenz zur Stimmungslage und zu Problemen der Kolleginnen und Kollegen im Praxisalltag sowie ihre Einschätzungen zu verschiedenen Themen herzustellen, haben wir gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung eine bundesweite Online-Befragung zum Stimmungsbild der Zahnärzteschaft entwickelt. In diesem „Stimmungsbarometer“ wurden Einschätzungen zur aktuellen vertragszahnärztlichen Tätigkeit, Beurteilungen von berufspolitischen Forderungen an die Politik sowie Punkte zur Evaluation unserer Kampagne „Zähne zeigen“ abgefragt. Gleichzeitig wurde die Teilnahmebereitschaft an öffentlichkeitswirksamen Aktionstagen ermittelt. Die Ergebnisse der Online-Befragung präsentieren wir Ihnen ebenfalls morgen in Zusammenhang mit dem aktuellen Stand der Kampagne.
Zahnärztliche Mitteilung (zm)
1.1 Entwicklung eines Leitbilds
Aktuell befasst sich die Redaktion mit der Entwicklung eines modernen und zukunftsweisenden Leitbilds, das die Werte und den Auftrag der Redaktion definiert und als Orientierungshilfe für alle redaktionellen Aktivitäten dienen soll. Dazu hat sich die Redaktion am 30. und 31. Mai in einem internen Workshop mit den Leitbild-Säulen Vision, Mission und Werte beschäftigt. Dabei beschäftigte sich die Redaktion intensiv mit folgenden Fragen: Für was steht die zm? Welche Aufgaben muss sie aktuell und in Zukunft erfüllen? Welche Werte vertritt die Redaktion? Dabei ging es insbesondere auch um das Verhältnis zum Verlagspartner MedTriX. Nach Fertigstellung und der Abstimmung mit den Herausgebern soll das Leitbild auch nach außen kommuniziert werden.
1.2 KI in der Redaktion
Um sich im Zukunftsfeld Künstlicher Intelligenz (KI) orientieren zu können, nehmen die Redaktionsmitglieder aktuell an einer Online-Seminarreihe der Berliner Journalistenschule teil. Dabei geht es um aktuellen Möglichkeiten des Einsatzes von KI im redaktionellen Alltag. Ziel ist es, Grundlagen zu schaffen, auf denen dann sukzessive aufgesetzt werden kann. Fest steht schon heute, dass KI die redaktionelle Arbeit in vielen Bereichen stark verändern wird. Umso wichtiger ist es für Journalisten, die Chancen, aber auch die Grenzen und Problemfelder beim Einsatz von KI zu kennen. Eine zentrale Rolle wird das Thema Transparenz bei der Verwendung von KI spielen. Leserinnen und Leser sollen bei der zm immer klar darüber informiert werden, wenn an bestimmten, relevanten Stellen KI zum Einsatz kommt. Dazu werden in absehbarer Zeit Guidelines erstellt werden, die über den Umgang mit KI informieren werden. Dabei ist heute schon klar, dass diese in vergleichsweise kurzen Frequenzen an die rasante, technische Entwicklung angepasst werden müssen. Unzweifelhaft ist, dass KI in der redaktionellen Arbeit künftig einen festen Platz haben wird. Entscheidend ist dabei ein professioneller und transparenter Umgang.
Damit möchte ich meinen Bericht schließen und wünsche der VV noch einen guten Verlauf, konstruktive Gespräche und ein kollegiales Miteinander – vielen Dank!
Bild: © KZBV/Darchinger