Rede Dr. Ute Maier
Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Gäste,
ich werde Ihnen heute aus den Bereichen Qualitätsförderung, Qualitätsinstitute/Leitlinien und Vertragsinformatik berichten und möchte gerne mit dem Bereich Qualitätsförderung beginnen.
Seit fünf Jahren führen die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) bundesweit die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsprüfungen bei den Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzten durch. Dazu haben sie entsprechend den Vorgaben der „Qualitätsbeurteilungs-Richtlinie Überkappung" eine Stichprobe von 3 Prozent aller Vertragszahnarztpraxen gezogen, die innerhalb eines Abrechnungsjahres bei mindestens 10 Patientinnen und Patienten die Indikatorleistung CP/P in Verbindung mit einer der Folgeleistungen VitE, Trep1, WK, WF, X1, X2, oder X3 abgerechnet haben. Alle KZVen haben ihre Prüfergebnisse fristgerecht an die KZBV weitergeleitet; wir fassen derzeit die Ergebnisse in einem Bericht für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zusammen. Diesen werden wir spätestens bis zum 30. Juni 2024 an den G-BA übermitteln.
Auch in Sachen einrichtungsinternes Qualitätsmanagement muss an den G-BA – bis zum 31. Juli 2024 – ein Bericht übermittelt werden. Die KZVen haben dafür per Stichprobe Praxen zur Umsetzung der Mindestanforderungen gemäß QM-Richtlinie befragt. Die Befragung umfasst u. a.
- die Bewertung des Ist-Zustandes,
- die Definition von Zielen,
- die Beschreibung von Prozessen und Verantwortlichkeiten sowie
- die praxisinterne Rückmeldung über die Wirksamkeit von Qualitätsmanagement-Maßnahmen.
Derzeit stellen wir die Daten und Auswertungen für den Bericht zusammen. Seit 20. April 2024 gilt eine neue Vorgabe für den QM-Erhebungsbogen. Im ärztlichen wie im zahnärztlichen Bogen wurde eine zusätzliche Frage zum Thema „Prävention von und Hilfe bei Missbrauch und Gewalt" aufgenommen. Relevant wird diese Vorgabe für die KZVen ab dem Prüfjahr 2025. Da die meisten KZVen die Befragung online durchführen, bitte ich die Verantwortlichen in den KZVen, frühzeitig an die Aufnahme bzw. Programmierung dieser zusätzlichen Frage zu denken.
Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht noch: Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) hat letztes Jahr Kriterien für die Bewertung der Aussagekraft von Qualitätssiegeln und Zertifikaten erarbeitet. Der Abschlussbericht wurde im Dezember 2023 vom G-BA zur Veröffentlichung freigegeben. Den Bericht und die Weiterentwicklungsvorschläge für die Umsetzung des Auftrags aus § 137a Abs. 3 Nr. 7 SGB V hat der G-BA jedoch mit einer kritischen Kommentierung versehen. Weshalb? Auftrag des IQTIG war es, in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form Kriterien zu definieren, mit denen die Aussagekraft von Zertifikaten und Qualitätssiegeln beurteilt werden kann. Der G-BA hat in diesem Zusammenhang immer wieder klargestellt – insbesondere aus haftungs- und wettbewerbsrechtlichen Gründen sowie aus Ressourcengründen –, dass weder der G-BA noch das IQTIG die Rolle einer Bewertungs-/Akkreditierungsstelle einnehmen sollte. Gemäß Gesetzesbegründung zu § 137a Abs. 3 Nr. 7 SGB V (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz von 2014) sollen Patientinnen und Patienten in die Lage versetzt werden, sich selbst ein Bild über die Aussagekraft von Zertifikaten und Qualitätssiegeln zu machen. Ausschließlich dazu sollte das IQTIG Aussagen treffen.
Die fachliche Bewertung des Kriterienkatalogs des IQTIG durch den G-BA ergab, dass der vom G-BA erteilte Auftrag durch das IQTIG nicht vollständig abgearbeitet wurde und eine sachgerechte Anwendung der vom IQTIG empfohlenen Patienteninformation durch Patientinnen und Patienten nur eingeschränkt möglich erscheint. Da das IQTIG jedoch im Vorfeld nicht bereit war, seinen Kriterienkatalog entsprechend zu überarbeiten, wurde der Abschlussbericht des IQTIG schließlich zusammen mit der negativen Bewertung des G-BA vom IQTIG auf dessen Website veröffentlicht.
Davon unbeeindruckt scheint das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gewesen zu sein. Denn trotz dieser klaren Stellungnahme des G-BA hat der Gesetzgeber dem IQTIG mit dem Krankenhaustransparenzgesetz in § 135d SGB V „Transparenz der Qualität der Krankenhausbehandlung" die Aufbereitung der Daten für die Veröffentlichung und Aktualisierung des neuen Transparenzverzeichnisses („Bundes-Klinik-Atlas") übertragen. Hierfür sind im Institut zusätzliche Ressourcen erforderlich geworden. Der Bundes-Klinik-Atlas ist am 24. Mai 2024 online gestellt worden, obwohl die Krankenhäuser identische Daten bereits seit Jahren selbst zur Verfügung stellen.
Im Zuge des Bundes-Klinik-Atlas soll das IQTIG zudem die Zertifikate und Qualitätssiegel aus dem stationären Sektor bewerten. Diese sollen ein wesentlicher Bestandteil des Informationsangebotes an Patientinnen und Patienten sein, wie aus einer Pressemitteilung des IQTIG vom 9. April 2024 hervorging. Unserer Auffassung nach stellt die Bewertung durch das IQTIG nur eine Momentaufnahme dar. Es können niemals alle Zertifikate vollständig und umfassend erfasst werden. Die Sinnhaftigkeit dieser Bewertung ist deshalb durchaus infrage zu stellen. Und das ganze Vorgehen – gerade auch vonseiten des BMG – zeigt einmal mehr, dass die Selbstverwaltung weiter geschwächt werden soll. Es zeigt aber auch vor allem, wie Ressourcen im Gesundheitssystem verschwendet werden.
In Sachen Zahnärztliches Berichts- und Lernsystem „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!" hat die KZBV gemeinsam mit der BZÄK einen neuen „Besonderen Fall" in den Zahnärztlichen Mitteilungen der Ausgabe 10/2024 veröffentlicht. Der Fall trägt den Titel: „Antibiotische Abschirmung bei Patienten mit Endoprothesen". Die Website „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!" wird aktuell von über 7.000 Nutzerinnen und Nutzern regelmäßig besucht. Zahnärztinnen und Zahnärzte, denen ein unerwünschtes Ereignis in der Praxis unterlaufen ist, können anonymisiert Berichte einstellen. Wir finden, dass dieses System sehr gut geeignet ist, um aus Fehlern und unerwünschten Ereignissen zu lernen. Bitte unterstützen Sie CIRS dent weiterhin, in dem Sie auf Ihren Veranstaltungen oder in Ihren Medien darauf aufmerksam machen.
Kommen wir zum Qualitätssicherungsverfahren „Systemische Antibiotikatherapie". Wie Sie wissen, hatte der G-BA Ende vergangenen Jahres das IQTIG erneut mit der Erstellung einer Spezifikationsempfehlung beauftragt. Diese wurde vom IQTIG im Januar 2024 abgegeben und in der Zwischenzeit in der AG QS Zahnmedizin im G-BA beraten. Es waren noch kleinere Änderungen an der Spezifikationsempfehlung notwendig. Diese wurden inzwischen durch das IQTIG angepasst. Da es aber noch datenschutzrechtlichen Klärungsbedarf gibt, ist der Start des Verfahrens zum 1. Januar 2025 sehr unwahrscheinlich.
Qualitätsinstitute, Leitlinien
Die KZBV ist in den Organen und Gremien der beiden Qualitätsinstitute IQTIG und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vertreten, die den G-BA bei der Erfüllung seiner Aufgaben wissenschaftlich beraten. In unregelmäßigen Abständen überarbeitet das IQTIG seine „Methodischen Grundlagen". Darin werden die Methoden und Kriterien, die das IQTIG bei der Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags, d. h. Entwicklung, Weiterentwicklung und Anpassung von Maßnahmen der Qualitätssicherung zugrunde legt, erläutert.
Die derzeit noch gültige Fassung der „Methodischen Grundlagen" Version 2.0 stammt vom 16. August 2021. Am 8. April 2024 stellte das IQTIG nunmehr im Entwurf die Version 2.1 öffentlich zur Stellungnahme, d. h. Organisationen nach § 137a Abs. 7 SGB V, wissenschaftliche Institute, die Fachöffentlichkeit sowie Patientinnen und Patienten hatten die Möglichkeit, per schriftlicher Stellungnahme fachliche Hinweise zu den „Methodischen Grundlagen" des IQTIG einzureichen. Diese Gelegenheit hat die KZBV wahrgenommen und eine schriftliche Stellungnahme eingereicht.
In Bezug auf die Neuerstellung und Überarbeitung von klinischen Leitlinien der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)" hat sich die KZBV in der ersten Jahreshälfte intensiv in die Neuerstellung der S2k-Leitlinie „Okklusionsschienen zur Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen und zur präprothetischen Therapie" eingebracht. In der Leitlinie erfolgt eine strukturierte Differenzierung verschiedener Schienentypen sowie eine systematische Darstellung zu deren Wirkungsweise und Indikationsspektrum. Die Leitlinie fokussiert dabei auf die Indikationen zur Behandlung funktioneller Erkrankungen des craniomandibulären Systems und zur Austestung/Bestimmung einer therapeutischen Kieferrelation vor der Anfertigung von Zahnersatz.
Beteiligt hat sich die KZBV auch an der Überarbeitung einer Leitlinie aus dem Jahr 1997 zur „Therapie der Lippen-Kiefer-Gaumen-Fehlbildungen". Bei dieser Patientengruppe ist ein multidisziplinäres Team für die Versorgung erforderlich, zu dem neben Kieferchirurginnen und Kieferchirurgen auch Zahnärztinnen und Zahnärzte gehören. Die Leitlinie ist auf dem S3-Evidenzniveau umfangreich aktualisiert und erweitert worden und wird zurzeit von den beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen verabschiedet.
Unter Beteiligung der KZBV ist eine der wichtigsten zahnmedizinischen Leitlinien zur Prävention, die S3-Leitlinie „Fissuren- und Grübchenversiegelung", deren Erstfassung auf das Jahr 2005 zurückgeht, aktualisiert und erweitert worden. So werden nun auch Empfehlungen zur Versiegelung an hypomineralisierten Molaren und zur Versiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in gesonderten Kapiteln abgebildet.
Die KZBV ist des Weiteren im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) e.V. vertreten. Dort wurde jetzt ein Kalibrierungstool abgenommen, welches in Vorbereitung der nächsten epidemiologischen Begleituntersuchung zur zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe gem. § 21 SGB V zum Einsatz kommen wird. Die Untersucherinnen und Untersucher können mit diesem Online-Werkzeug in Bezug auf die Diagnostik von Karies und anderen relevanten Befunden kalibriert werden. So werden bundesweit vergleichbare Untersuchungsergebnisse sichergestellt.
Vertragsinformatik
In den vergangenen Monaten haben gleich mehrere Gesetze das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) befindet sich, so wie Ihnen allen berichtet wurde, bereits in der Pipeline. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle einen größeren Themenkomplex herauszufiltern, der die Zahnarztpraxen und die KZBV in den kommenden Wochen und Monaten noch intensiv beschäftigen wird.
Das Stichwort heißt „Interoperabilität", abgekürzt IOP. Kurz und knapp könnte man darunter das Setzen von technischen Standards bei zahnmedizinischen und medizinischen Daten zum interdisziplinären Austausch oder auch zur Unterstützung der elektronischen Patientenakte (ePA) über die Grenzen der unterschiedlichen Praxisverwaltungssysteme (PVS) hinaus subsumieren. Gegenwärtig kann der Eindruck gewonnen werden, dass das BMG auf vielschichtige Art und Weise versucht, die digitale Transformation des Gesundheitswesens durch die Schablone IOP zu pressen, ohne dabei die Auswirkungen z. B. auf die Zahnarztpraxen, die Hersteller zahnärztlicher Praxisverwaltungssysteme sowie auf die Patientinnen und Patienten im Detail durchdacht und berücksichtigt zu haben.
An dieser Stelle möchte ich klarstellen: Die KZBV begrüßt eine stärkere IOP in der Sache. Jedoch lässt sich schon jetzt absehen, dass die mit dem Digital-Gesetz neu vorgesehenen IOP-Zertifizierungsvorgaben und -verfahren dazu führen werden, dass es zu einem zeitlich kaum realistisch umsetzbaren Entwicklungsaufwand bei den PVS-Herstellern kommen wird und die Zahnarztpraxen unverschuldet in die Situation geführt werden, dass ihnen das Gesetz die Abrechnung der zahnärztlichen Leistungen verbietet, wenn sie kein IOP-zertifiziertes PVS einsetzen. Seien Sie versichert, dass die sich KZBV sowohl beim Gesetzgeber als auch beim eigens für die IOP installierten Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) nachdrücklich dafür einsetzen wird, dass die IOP mit tragfähigen Regelungen für alle Beteiligten umgesetzt wird, damit dies nicht zu zusätzlichen Bürokratielasten in den Praxen führt, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen ohnehin federführend eingeläutet haben.
An dieser Stelle darf ich ankündigen, dass mit dem eLABZ – also dem Datenaustausch zwischen Zahnarztpraxis und Zahntechniklaboren – die nächste Anwendung in den Startlöchern steht, die einen erheblichen Beitrag zur Digitalisierung im Gesundheitswesen und Entlastung im Praxisalltag mit sich bringen wird. Datenschutz und Datensicherheit der persönlichen und zahnmedizinischen Daten von Patientinnen und Patienten sind in der heutigen Zeit enorm wichtig. Von daher ist es logisch und konsequent, dass eLABZ auf dem sicheren Mail-Dienst Kommunikation im Medizinwesen (KIM) aufgesetzt wird und mit dem TI-Messenger (TIM) noch einen zusätzlichen sicheren Kanal bekommt, mit dem Praxen und Labore sich unbürokratisch und einfach Nachrichten z. B. für Nachfragen zu einem Abdruck oder zur Zahnfarbe schicken können. Mehr dazu in den kommenden Monaten, wenn auch die Zahntechniklabore an die TI angebunden sind. Wie auch beim EBZ lautet die Devise: Gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen, mit Laboren sowie Praxen pilotieren und testen. Das Feedback aus dem Praxisbetrieb fließt ein, bevor die Anwendung flächendeckend in die Versorgung einziehen kann. Beim EBZ war dies ein Erfolgsrezept. Packen wir es gemeinsam nochmal an!
© Bild: KZBV/Darchinger