Eingangsstatement Martin Hendges
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dittmar,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich im Namen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung zu unserem diesjährigen Frühjahrsfest.
Ein herzliches Willkommen – auch an Sie,
sehr geehrte Frau Senatorin Czyborra,
schön, dass Sie hier sind.
Zunächst einmal darf ich mich bei Ihnen, Herr Ertner, ganz herzlich für die Begrüßung und Ihre einleitenden Worte bedanken. Unser Frühjahrsfest im letzten Jahr in Ihrem Hause hat gezeigt, welch tollen Rahmen die Landesvertretung Baden-Württemberg bietet und mit welcher Gastfreundschaft wir hier empfangen werden. Und ich bin mir sicher, dass Sie alle sich am heutigen Abend wieder sehr wohlfühlen werden. So ein Frühjahrsfest soll ja in erster Linie dazu dienen, sich untereinander auszutauschen und gute Gespräche zu führen. Es bietet aber auch die Möglichkeit, einerseits einen kurzen Blick auf das zurückliegende Jahr zu werfen und andererseits auf das zu schauen, was vor uns liegt.
Als ich vor einem Jahr in das Amt des Vorstandsvorsitzenden der KZBV gewählt worden bin, habe ich erklärt, dass der Anspruch der KZBV „Gesundheit gestalten“ auch mein persönliches Credo ist.
Das war und ist für uns keine Worthülse. Ich rede davon:
- Präventionsorientierung zu stärken,
- Digitalisierung voranzubringen,
- Bedarfe vulnerabler Gruppen im Blick zu haben
- und die Versorgungsstrukturen nachhaltig sicherzustellen.
Das sind unsere Themen, das ist unser Anspruch im Vorstand. Ich will damit beginnen, was wir als engagierte Zahnärzteschaft und Selbstverwaltung im Gesundheitswesen im Sinne der Patientenversorgung erreicht haben: Kein anderer Sektor in der Versorgung kann solche Erfolge in der Prävention vorweisen, wie wir – und das aus eigener Motivation des Berufsstandes heraus!
Die Folge: rückläufige Morbiditäten, eine enorme Verbesserung der Mundgesundheit und ein über die letzten Jahre stetig sinkender Anteil an den Gesamtausgaben der GKV für die vertragszahnärztliche Versorgung, obwohl wir das Leistungsspektrum für unsere gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten gerade hinsichtlich der vulnerablen Bevölkerungsgruppen stetig ausgebaut haben! Gerade unser Leistungsbereich verzeichnet eine so hohe Anzahl abgeschlossener Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen wie kein anderer.
Und wenn es um die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf oder Beeinträchtigung geht, waren wir es, die das Versorgungskonzept gemeinsam mit der Wissenschaft und fußend auf den Erfahrungen aus der täglichen Praxis entwickelt und in die Versorgung gebracht haben. Gleiches gilt für den Bereich der frühkindlichen Karies bis hin zum Meilenstein, der neuen „Parodontitisbehandlungsstrecke“.
Und auch beim Thema der „digitalen Transformation“ sind wir es, die gemeinsam mit den Vertretern der GKV und des VDDS aus der Selbstverwaltung heraus gezeigt haben, wie sinnstiftende Anwendungen mit hoher Akzeptanz auf allen Seiten aussehen können! Stichwort ist hier das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (kurz: EBZ), in das wir jetzt im nächsten Schritt auch die Zahntechnik einbeziehen.
Meine Redezeit reicht heute nicht aus, all das aufzuzählen, was Selbstverwaltung leistet und mit welcher Effizienz und Schlagkraft bis dato die Versorgung in unseren freiberuflich und in Selbstständigkeit geführten Zahnarztpraxen flächendeckend und wohnortnah auf hohem Qualitätsniveau sichergestellt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wendet man nun den Blick der Gesundheitspolitik zu, so müssen wir feststellen: Minister Lauterbach und die Ampelkoalition sind mit einem großen Kostendämpfungsgesetz in diese Legislaturperiode gestartet.
Und es lässt sich nüchtern festhalten: Seit diesem Gesetz ist bei uns im Sinne der Versorgung nichts passiert. Rein gar nichts! Wir stecken in der Kostendämpfung fest! Insoweit kann und will ich auch gar nicht die massive Unzufriedenheit im Berufsstand und unsere tiefe Enttäuschung verschweigen. Ich spreche sicher auch für andere hier, wenn ich sage, dass das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz immer noch die Chance bietet, eine Kehrtwende einzuleiten und die bestehenden Probleme in der vertragszahnärztlichen Versorgung anzupacken. Dem aber wird der aktuelle Gesetzentwurf in keiner Weise gerecht. Er geht an den wesentlichen Problemen in unserem Versorgungsbereich sogar völlig vorbei.
Hierzu einige Stichworte:
- Die gravierenden Folgen der Wiedereinführung der strikten Budgetierung für die Patientenversorgung, ganz besonders im Bereich der Parodontitistherapie, sind mehr als sichtbar.
- Die Zahnarztpraxen haben sich mit großen Anstrengungen auf die neue dreijährige Parodontitisbehandlungsstrecke in 2022 eingerichtet. Wir nehmen die Bekämpfung der großen Volkskrankheit Parodontitis ernst.
- Dann muss aber auch die Politik bereit sein, die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, zumal erhebliche Folgekosten durch eine frühzeitige Behandlung der Parodontitis vermieden werden können.
- Ich sehe hier das GVSG wirklich als „letzte Chance“, mit einer Herausnahme der Parodontitisversorgung aus der strikten Budgetierung wenigstens noch die schlimmsten Folgen für die Patienten-versorgung abzufedern, vor allem aber dafür zu sorgen, dass die Parodontitisversorgung in 2025 wieder auf die Füße kommen kann.
- Trotz mehrfacher Ankündigung des Ministers sieht das GVSG keine Regulierung der versorgungsfremden Investoren-MVZ vor.
Liebe Frau Staatssekretärin, liebe Abgeordnete der Ampelfraktionen, lassen Sie sich bitte nicht mit der billigen Forderung der Investoren einlullen, Transparenz allein wäre schon ausreichend. Eines möchte ich klarstellen: Wenn das GVSG am Ende bei mehr Transparenz stehen bleiben sollte, dann wäre das nicht mehr als ein Feigenblatt, das an den tatsächlichen Gefahren für die Patientenversorgung nichts, aber auch rein gar nichts ändern würde.
Wir nehmen den Minister beim Wort, der versprochen hat, den Investoren „einen Riegel“ vorzuschieben. Jetzt muss mit dem GVSG der 2019 eingeschlagene Sonderweg in der vertragszahnärztlichen Versorgung mit einer räumlichen und fachlichen Gründungsbeschränkung konsequent weitergegangen werden, um die grassierenden Auswüchse in unserem Versorgungsbereich zu stoppen.
Liebe Frau Staatssekretärin, liebe Abgeordnete der Ampel,
nutzen Sie das GVSG auch bitte, um endlich die dringend notwendige Entbürokratisierung im Gesundheitswesen anzugehen. Die Vorschläge von uns und der Bundeszahnärztekammer liegen auf dem Tisch. Mit den Doppelstrukturen und den Doppelprüfungen, wie es der GVSG-Entwurf mit den Prüfrechten für den Bundesrechnungshof vorsieht, bauen Sie aber ganz im Gegenteil weitere Bürokratie auf!
Statt Motivation und Schaffung von Akzeptanz für digitale Anwendungen, setzen Sie auf Sanktionspolitik. Mit einer am Praxisalltag ausgerichteten Digitalisierung könnten wir es aber schaffen, überbordende Bürokratie effektiv zu reduzieren und mehr Zeit für die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten zurückzugewinnen. Und nicht zuletzt: Nutzen Sie die Stärken und die Expertise der Selbstverwaltung. Wir brauchen eine Gesundheitspolitik weg vom Reißbrett hin zur Versorgungsrealität. Dem zahnärztlichen Nachwuchs und denen, die Versorgung heute aufrechterhalten, dürfen wir die Freude am Beruf nicht durch überbordende Bürokratie, durch fehlende Planungssicherheit und eine versorgungsferne Digitalisierungsstrategie nehmen.
Liebe Frau Staatssekretärin, meine Damen und Herren Abgeordnete,
nutzen Sie die Chance zu einem Kurswechsel in der Gesundheitspolitik, indem Sie wieder auf die Expertise der Selbstverwaltung setzen, indem Sie uns in die Fortentwicklung des Gesundheitswesens einbeziehen. Stellen Sie wieder Planungssicherheit für die Praxen her und stellen Sie für neue Leistungsversprechen auch die notwendigen Mittel zur Verfügung! Unsere Vorschläge für das GVSG liegen auf dem Tisch. Seien Sie herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam um Lösungen im Sinne der Patientenversorgung zu ringen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen angenehmen Abend, viele anregende Gespräche und für die verbleibende Legislaturperiode die notwendige Zuversicht, dass ein Kurswechsel in der Gesundheitspolitik noch gelingen kann.
Bild: © KZBV/axentis/Lopata