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Beschluss
Die Vertreterversammlung der KZBV fordert den Gesetzgeber dazu auf, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesundes-Herz-Gesetz (GHG), die Leistungen für die neue, präventionsorientierte Parodontitistherapie gesetzlich als Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen anzuerkennen und vollumfänglich zu vergüten.
Begründung
Parodontitis ist eine komplexe multifaktorielle Entzündungserkrankung des Menschen, die im Wesentlichen durch bakterielle Zahnbeläge ausgelöst wird und zu einer fortschreitenden entzündlichen Zerstörung des Zahnhalteapparates und unbehandelt zu Zahnverlust führt. Parodontitis ist die Hauptursache für Zahnverlust bei Erwachsenen weltweit. In Deutschland sind circa 30 Millionen Menschen an Parodontitis erkrankt, etwa 10 Millionen davon schwer. Diese Erkrankung hat Auswirkungen auf den gesamten Körper und steht in Zusammenhang mit einer Vielzahl von Allgemeinerkrankungen. Zu den systemischen Erkrankungen, die durch Parodontitis negativ beeinflusst werden können, zählen u. a. Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, rheumatoide Arthritis und neurodegenerative Erkrankungen wie z. B. Alzheimer.
Gerade auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Parodontitis stehen in einer engen Beziehung zueinander. Parodontitis begünstigt die Entstehung und das Fortschreiten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, koronaren Herzkrankheiten oder Herzinsuffizienz.
Mit einer modernen Parodontitistherapie, wie sie seit dem 01.07.2021 mit der vom Gemeinsamen Bundesausschuss verabschiedeten Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen (PAR-Richtlinie) in die GKV-Versorgung aufgenommen wurde, kann der Krankheitsprozess zum Stillstand gebracht, der Zustand des Zahnhalteapparates deutlich verbessert und die Allgemeingesundheit positiv beeinflusst werden.
Neben der unmittelbaren Behandlung der Parodontitis als solcher dient die Parodontitistherapie in erheblichem Maße der Früherkennung und insbesondere der Vorsorge vor anderweitigen zahnmedizinischen sowie allgemeinmedizinischen Erkrankungen, insbesondere auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Durch eine unbehandelte Parodontitis entstehen zudem hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem, die allein im zahnärztlichen Bereich bei rund 200 Mio. Euro jährlich liegen. Darüber hinaus ist von deutlich positiven Auswirkungen der PAR-Behandlung auf die Allgemeingesundheit der Versicherten und dadurch induzierten Einsparungen im ärztlichen Sektor auszugehen – insbesondere im Zusammenhang mit Diabeteserkrankungen. Die Gesamtheit der indirekten Krankheitskosten (z. B. Produktivitätsverlust durch Abwesenheit vom Arbeitsplatz; Zahnlosigkeit; unbehandelte Karies bei Patientinnen und Patienten mit Parodontitis, hauptsächlich Wurzelkaries) wird in einer Studie für Deutschland mit rund 34,79 Mrd. Euro angegeben (Botelho et al., 2022).
Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass gesetzliche Maßnahmen zur Förderung der Parodontitistherapie bislang im Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz – GHG) außen vorgelassen wurden.
Dies gilt umso mehr, als infolge der strikten Budgetierung für die Jahre 2023 und 2024 infolge des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) die notwendigen Mittel zur Finanzierung der erst im Juli 2021 eingeführten neuen, präventionsorientierten Parodontitistherapie nicht mehr ausreichend zur Verfügung standen und stehen. Die unmittelbaren Leidtragenden dieser kurzsichtigen und fehlgeleiteten Gesundheitspolitik sind die Patientinnen und Patienten.