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Beschluss
Die Vertreterversammlung der KZBV fordert gegenüber dem Bundesgesetzgeber, dass die geplante Umsetzung des „Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ nicht zu Lasten der Zahnärzteschaft erfolgen darf. Insbesondere müssen dabei folgende Aspekte beachtet werden:
- Um den besonderen Erfordernissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen, sind diese durch eine entsprechend dem Aufwand angemessene Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen (BEMA) – z.B. in Form von Zuschlägen – oder weiterer Maßnahmen abzubilden. Dafür nötige Mittel müssen seitens der Gesetzlichen Krankenkassen bereitgestellt werden. Das Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums, wonach Anpassungen des BEMA im Rahmen des Aktionsplans punktsummen- und finanzneutral umzusetzen sind, ist vehement abzulehnen.
- Der freiwillige Ausbau barrierearmer Praxen muss durch öffentliche Mittel unterstützt werden. Eine Förderung in Form von rückzahlungspflichtigen Darlehen lehnen wir entschieden ab. Statt verpflichtender Maßnahmen, die bei Nichtumsetzung mit Sanktionen belegt sind und die Bestandsfähigkeit etablierter Zahnarztpraxen gefährden können, setzen wir auf eine gezielte Förderung und Unterstützung. Auch für Neugründungen von Praxen darf Barrierearmut keine verpflichtende Zulassungsvoraussetzung darstellen. Der Ausbau zur Barrierearmut darf generell nicht durch belastende Verpflichtungen vorangetrieben werden. Mit Blick auf die Verbesserung der Barrierearmut von Zahnarztpraxen muss ein Bestandsschutz bereits vorhandener Praxen auch nach einer möglichen Übernahme rechtssicher festgehalten werden.
Begründung
Die Zahnärzteschaft in Deutschland verfolgt bereits seit Jahren und durch eine Vielzahl an Maßnahmen das Ziel, den Zugang zur zahnärztlichen Versorgung für Menschen mit Behinderung barriereärmer und somit leichter zu machen. Durch die vielfältigen Maßnahmen konnte in den letzten Jahren nicht nur die allgemeine Mundgesundheit verbessert, sondern auch die Lebensqualität vieler Betroffener erheblich gesteigert werden. Gleichzeitig ist anzuerkennen, dass die Betreuung von Menschen mit schweren Behinderungen viele Praxen weiterhin vor enorme Herausforderungen stellt. Die Vertreterversammlung (VV) der KZBV unterstützt daher das Bestreben, im Rahmen des „Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ eine noch weitergehende Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung mitzudenken und konkrete Lösungen dafür vorzusehen. Sachgemäß und zielführend wäre insoweit eine gesetzliche Regelung, die – vergleichbar den Regelungen in § 87 Abs. 2i oder § 87 Abs. 2j i.V.m. § 119b SGB V – eine Zuschlagsposition für Behandlungen der betreffenden Patientengruppe vorsieht, ebenso müsste § 119b SGB V entsprechend auf diese Personengruppe erweitert werden.
Bei allen geplanten Maßnahmen für die Verbesserung einer Barrierearmut muss jedoch festgehalten werden, dass die Finanzierung dieser Maßnahmen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe durch die öffentliche Hand erfolgen muss. Ebenso muss klargestellt werden, dass der Ausbau der Barrierearmut nicht durch verpflichtende Vorschriften oder Sanktionen, sondern nur durch das Prinzip der Freiwilligkeit und eine entsprechende Förderung erfolgreich vonstattengehen kann.
Anpassung des BEMA, aber keine Abwertung anderer Leistungen
Die Maßnahmenübersicht des Bundesgesundheitsministeriums zum Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen sieht eine gesetzliche Regelung vor, wonach die Bewertungsausschüsse verpflichtet werden sollen, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und den BEMA punktsummen- und finanzneutral zu überprüfen und anzupassen, um den besonderen Erfordernissen behinderter Menschen Rechnung zu tragen. Für sich gesehene sinnvolle gesonderte Vergütungen, Zuschläge, neue Leistungen oder andere Maßnahmen, die den tatsächlichen Mehraufwand (zeitlich, personell, apparativ) bei der Behandlung von Menschen mit Behinderungen adäquat abbilden, können jedoch nicht punktsummen- und finanzneutral umgesetzt werden, ohne andere Leistungen abzuwerten. Die intendierte Vorgabe zur Punktsummen- und Finanzneutralität ist daher abzulehnen.
Ausbau der Barrierearmut fördern
Verpflichtende, strenge Vorgaben für die Barrierearmut von Zahnarztpraxen würden viele Praxen in ihrer Existenz bedrohen und zudem die Übergabe an mögliche Nachfolger deutlich erschweren. Damit droht ein erheblicher Schaden für die Versorgung aller Versicherten, wenn gesetzliche Maßnahmen zur Schließung von Praxisstandorten führen. Das Ziel, den Zugang zur zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung zu erleichtern, kann nicht dadurch erreicht werden, Zahnärztinnen und Zahnärzte zu umfassenden, sehr kostspieligen und komplizierten Umbaumaßnahmen zu verpflichten. Vielmehr müssen solche Maßnahmen durch entsprechende Fördermittel unterstützt werden. Wo dies aufgrund der individuellen baulichen und räumlichen Gegebenheiten nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, muss ein Bestandsschutz gelten.