Artikel
Beschluss
Die Vertreterversammlung der KZBV unterstützt im Grundsatz das Ziel, dass große Mengen von Gesundheitsdaten in anonymisierter Form zu Forschungszwecken und zur Nutzung der Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) maßvoll so eingesetzt werden, dass im Allgemeininteresse der medizinische Fortschritt in sinnvoller Weise gefördert wird. Jedoch dürfen große Datensammlungen nicht zu einem "gläsernen" Gesundheitswesen führen, in welchem die Persönlichkeitsrechte von Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern missachtet werden, und insbesondere auch nicht dazu, dass die Krankenkassen neue, zusätzliche Datenauswertungsmöglichkeiten erhalten, die die bisher ausgewogenen Zuständigkeitsverteilungen zwischen Leistungserbringerorganisationen und Krankenkassen grundlos in Richtung Krankenkassen verschieben und von einem unbegründeten Misstrauen und Generalverdacht gegenüber den Leistungserbringern ausgehen.
Begründung
Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen geschaffen, große Gesundheitsdatenmengen zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen, um unter Nutzung der Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz den medizinischen Fortschritt im Interesse der Allgemeinheit voranzubringen. Die KZBV unterstützt dieses Ziel, soweit die Daten ohne Bezug zu Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern verwendet werden.
Gleichzeitig stellt die Vertreterversammlung der KZBV jedoch besorgniserregende Tendenzen der Gesetzgebung fest, über die Förderung des medizinischen Fortschritts hinaus große Datenmengen zum Zwecke des Aufbaus eines "gläsernen" Gesundheitswesens zusammenzutragen und auszuwerten:
So erhalten die Krankenkassen die vertragszahnärztlichen Abrechnungsdaten zur Weiterleitung (über den GKV-SV) an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) vorab in unbereinigter Form, ohne dass gesetzlich ausdrücklich klargestellt wurde, dass die Krankenkassen diese von ihnen an das FDZ "durchzuleitenden" Daten nicht ihrerseits unter Konterkarierung der Zuständigkeitsverteilungen für die Abrechnungsprüfung auswerten dürfen und dass sie diese Daten nach erfolgter Weiterleitung löschen müssen. Der GKV-SV wiederum erhält zum Zwecke der Weiterleitung an das FDZ anders als bisher sämtliche Abrechnungsdaten und für diese sogar eine ausdrückliche Auswertungsbefugnis im Auftrag des BMG.
Des Weiteren sind die Krankenkassen mit dem GDNG ermächtigt worden, ohne Einwilligung der Patientinnen und Patienten deren sensible Gesundheitsdaten zu bestimmten Zwecken auszuwerten, um die Patientinnen und Patienten – mit hohem Verunsicherungspotential und ohne (zahn)ärztliche Expertise – auf potentielle Gesundheitsgefahren hinzuweisen.
Und schließlich sieht der aktuelle Gesetzentwurf eines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) Ermächtigungen für die Fehlverhaltensbekämpfungsstellen der Krankenkassen und des GKV-SV vor, die Datenbestände der Krankenkassen einschl. der Abrechnungsdaten kassenübergreifend zentral zusammenzuführen, um diese mit KI-gestützter Verarbeitung nach Sachverhalten und Mustern zu analysieren, die auf Fehlverhalten hindeuten. Damit werden völlig anlasslos in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise sämtliche Leistungserbringer einer Art "Rasterfahndung" unterzogen und unter Generalverdacht gestellt. Vergleichbares gilt für den ebenfalls vorgesehenen Aufbau einer zentralen bundesweiten "Betrugspräventionsdatenbank", die den Krankenkassen Hinweise über Sachverhalte oder Auffälligkeiten geben soll, die auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen hindeuten.
Derartige besorgniserregende Tendenzen zu einem "gläsernen" Gesundheitswesen, welches die Persönlichkeitsrechte von Leistungserbringern, aber auch Patientinnen und Patienten, missachtet und aushöhlt und zudem von einem unbegründeten Misstrauen gegenüber den Leistungserbringern und ihren Standesorganisationen geprägt ist, sind bereits im Keim zu unterlassen und bereits ergriffene gesetzliche Regelungen sind entsprechend anzupassen oder aufzuheben.