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Beschluss
Die Vertreterversammlung der KZBV fordert den Gesetzgeber auf, die im Regierungsentwurf des Digitalgesetzes (DigiG) in §§ 385 ff. SGB V(-RegE) vorgesehenen Interoperabilitätsregelungen sachgerecht und mit Augenmaß auszugestalten: Die Selbstverwaltungskörperschaften müssen ihre bisherige Festlegungshoheit bzgl. IOP-Spezifikationen behalten, auf aufwendige und kostenintensive PVS-Zertifizierungsverfahren und PVS-Marktzutrittssperren ist zu verzichten und die Pflicht von Vertragszahnärzten zur interoperablen Herausgabe von Patientendaten darf weder kostenfrei erfolgen müssen noch bußgeldbewehrt sein.
Begründung
Die Vertreterversammlung der KZBV unterstützt im Grundsatz das gesetzgeberische Ziel einer stärkeren Interoperabilität im Gesundheitswesen. Interoperabilität (IOP) darf jedoch nicht als Selbstzweck oder lediglich mit dem Ziel der Generierung großer Datenmengen zum Zwecke der Sekundärnutzung angeordnet werden, sondern muss primär der Verbesserung der Versorgung und insb. unmittelbar den Nutzern und Nutznießern informationstechnischer Systeme zugutekommen, d. h. einen Mehrwert für Leistungserbringer und Versicherte generieren.
Der aktuelle Regierungsentwurf eines Digitalgesetzes wird dem jedoch mit den dort vorgesehenen Neuregelungen der §§ 385 ff. SGB V-E nicht gerecht. Abzulehnen ist insoweit, dass die Leistungserbringerorganisationen künftig nicht mehr automatisch an IOP-Spezifikationen technischer, semantischer und syntaktischer Standards, Profile und Leitfäden für ihren eigenen Bereich beteiligt sein sollen bzw. selbst im Falle ihrer nur noch untergeordneten Beteiligung als künftig „Beauftragte“ keine eigene Festlegungsbefugnis mehr haben, obwohl gerade sie die Versorgungsrealität am sachnächsten beurteilen können, die Bedürfnisse der Anwender kennen und die Sinnhaftigkeit neuer Interoperabilitätsvorgaben am sachgerechtesten einschätzen können.
Abzulehnen sind in diesem Zusammenhang auch die für den vertragszahnärztlichen Bereich neu vorgesehenen, aufwendigen und kostenintensiven Zertifizierungsverfahren für Praxisverwaltungssysteme und die damit einhergehende Marktzutrittssperre für PVS-Systeme, die die jeweils geltenden IOP-Vorgaben nicht erfüllen. Denn die damit einhergehende Gefahr einer Marktbereinigung kann einen Großteil aller Zahnarztpraxen treffen und es besteht die realistische Gefahr, dass der verbleibende PVS-Markt den infolgedessen zu erwartenden Bedarf an neuen PVS nicht ad hoc decken kann. Eine solche Marktbereinigung (ebenso wie etwaige Zertifizierungskosten) würde dabei mit massiven finanziellen Belastungen aufseiten der betroffenen Praxen einhergehen und erfahrungsgemäß in signifikantem Maße Zeit für einen Systemwechsel beanspruchen, was wiederum zu regionalen Versorgungsengpässen führen kann. Auch wenn das Ziel einer möglichst weitreichenden und flächendeckend vorhandenen Interoperabilität für sich gesehen ein "nice-to-have" sein mag, wäre die Gefährdung bestehender Versorgungsstrukturen allein zu diesem Zweck unverhältnismäßig und ist demgemäß in der derzeit angedachten Ausgestaltung des Konformitätsbewertungsverfahrens und der darauf aufsetzenden Verbindlichkeitsmechanismen abzulehnen.
Abzulehnen ist zudem die in dem Regierungsentwurf vorgesehene, mit hohen Bußgeldern bewehrte Pflicht der Vertragszahnärzte, Patienten auf deren Verlangen hin ihre personenbezogenen Gesundheitsdaten kostenfrei im jeweils geltenden interoperablen Format herauszugeben. Der mit der Herausgabe verbundene Aufwand der Praxen muss mit einer Möglichkeit zur Erstattung der damit verbundenen Kosten einhergehen. Zudem ist die Bußgeldbewehrung (mit einer Geldbuße bis zu 300.000 €) völlig unverhältnismäßig.